Rz. 23
"Besonders umfangreich" i.S.d. Abs. 1 S. 1 ist eine Strafsache, wenn der vom Verteidiger hierfür erbrachte zeitliche Aufwand erheblich über dem Zeitaufwand liegt, den er in einer "normalen" Sache zu erbringen hat. Als Vergleichsmaßstab sind dabei Verfahren heranzuziehen, die den Durchschnittsfall der vor dem jeweiligen Spruchkörper verhandelten Sachen darstellen. Zu berücksichtigen ist allerdings nur der Zeitaufwand, der allein aus verfahrensbezogenen Tätigkeiten des Pflichtverteidigers herrührt, nicht hingegen solcher, der seinen Grund in nur verteidigerbezogenen/persönlichen Umständen hat.
Rz. 24
Bei dem Merkmal der besonders umfangreichen Strafsache ist vor allem auf den zeitlichen Aufwand abzustellen, der dem Pflichtverteidiger entsteht. Dabei ist auf objektive Kriterien abzustellen. Ob eine Strafsache besonders umfangreich ist, muss im Verhältnis zu anderen vergleichbaren Strafsachen beurteilt werden. Als vergleichbare Strafsachen können nur gleichartige Verfahren herangezogen werden. So kann beispielsweise der Umfang einer Schwurgerichtssache nicht mit dem Umfang eines Verfahrens vor dem AG verglichen werden und umgekehrt.
Rz. 25
Als Anhaltspunkte für die Beurteilung, ob die Strafsache besonders umfangreich war, kommen insbesondere folgende Kriterien (in alphabetischer Reihenfolge) in Betracht:
Rz. 26
– Aktenumfang
Zu berücksichtigen sein kann der Aktenumfang. Allerdings soll ein Aktenumfang von mehr als 24.000 Seiten nicht für eine Pauschgebühr ausreichen, wenn dem Beschuldigten ein zweiter Pflichtverteidiger bestellt worden ist.
Rz. 27
– Auswärtige Beweistermine
Die Wahrnehmung auswärtiger Beweistermine ist beim Umfang der Sache zu berücksichtigen. Hier ist allerdings jetzt zu beachten, dass es für diese Termine im Gegensatz zum bisherigen Recht eine gesonderte Vergütung gibt (VV 4102; VV Vorb. 5.1.2 Abs. 2; VV Vorb. 5.1.3 Abs. 1). Daher muss der Umfang über die gewöhnliche Wahrnehmung solcher Termine hinausgegangen sein.
Rz. 28
– Besuche in der Justizvollzugsanstalt
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Befindet sich der Vertretene nicht auf freiem Fuß, so wird in Strafsachen dem erhöhten Mehraufwand bereits dadurch Rechnung getragen, dass sich die Gebühren des gerichtlich bestellten oder beigeordneten Anwalts mit Zuschlag (VV Vorb. 4 Abs. 4) ergeben. Dies kann aber nicht dazu führen, dass damit sämtliche Besuche des Beschuldigten abgegolten sind. Auch hier ist der Vergleich mit gleichartigen Strafverfahren zu ziehen. Eine überdurchschnittlich hohe Anzahl von Besuchen in der Justizvollzugsanstalt ist daher beim besonderen Umfang zu berücksichtigen. Besonders zu berücksichtigen sind solche Termine immer in Verfahren, die keinen Zuschlag kennen, also im Bußgeldverfahren nach VV 5100 ff. und in den Verfahren nach VV Teil 6. |
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Die Gewährung einer Pauschvergütung für das Vorverfahren kann angezeigt sein, wenn für mehrere Besuche des Angeklagten in der Haftanstalt ein Zeitaufwand von etwa zehn Stunden erforderlich gewesen ist und die Verständigung mit dem Angeklagten nur mit einem Dolmetscher möglich war. Ebenso OLG Hamm für mehrere Besuche des Angeklagten in der Haftanstalt bei einem erforderlichen Zeitaufwand von etwa sechzehn Stunden. |
Rz. 29
– Beweisanträge
Umfang und Anzahl der Beweisanträge können ebenfalls zu berücksichtigen sein, wenn ihre Anzahl von vergleichbaren Fällen abweicht.
Rz. 30
– Dauer der Hauptverhandlungstermine
Die Anzahl der Hauptverhandlung selbst ist unerheblich, da der Anwalt für jeden erneuten Termin und jeden Fortsetzungstermin eine eigene Gebühr erhält. Zu berücksichtigen sein kann aber, wenn die Dauer der Hauptverhandlung im Vergleich zu gleichartigen Verfahren überdurchschnittlich lange dauert. So wird bei Amtsgerichtsverfahren eine Hauptverhandlungsdauer von zwei Stunden schon überdurchschnittlich sein, während in Schwurgerichtssachen fünf bis acht Stunden durchaus üblich sind. Zu berücksichtigen ist ferner, dass der besondere Umfang von längeren Hauptverhandlungsterminen durch kürzere Hauptverhandlungsdauer an anderen Terminstagen kompensiert werden kann. Allerdings ist hier jetzt zu beachten, dass die Dauer der Hauptverhandlung für den gerichtlich bestellten oder beigeordneten Anwalt ggf. bereits beim Gebührenrahmen zu berücksichtigen ist. So erhält der Anwalt in Verfahren nach VV Teil 4 gestaffelte Terminsgebühren je nach Dauer des Termins (gesonderte Gebühren für mehr als fünf und mehr als acht Stunden). Soweit also hier bereits die Dauer des Termins Einfluss auf die Gebührenhöhe nimmt, darf dies im Rahmen des § 51 nicht noch einmal berücksichtigt werden. Die Inanspruchnahme des gerichtlich bestellten Verteidigers am Hauptverhandlungstermin mit ca. 13 ½ Stunden liegt allerdings so weit über dem angemessenen Rahmen eines acht Stunden überschreitenden Hauptverhandlungstermins, dass eine Erhöhung der Terminsgebühren angemessen sein kann.
Rz. 31
– Eigene Ermittlungen
Eigene Ermittlungstätigkeiten des Verteidigers können ebenfalls zu berücksichtigen sein.
Rz. ...