Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
Rz. 215
Ist die Staatskasse nicht voll einstandspflichtig und hat der Anwalt mehrere echte (Anm. Abs. 1 zu VV 1008) oder unechte (§ 22 Abs. 1) Streitgenossen vertreten, denen sämtlich PKH ohne Zahlungsanordnung bewilligt worden ist, ergeben sich Besonderheiten gegenüber einer Abrechnung bei nur einem Mandanten mit ratenfreier PKH lediglich für den Fall, dass die Streitgenossen unterschiedlich am Ausgang des Verfahrens beteiligt sind und daher verschiedene Erstattungsansprüche haben. Das jeweilige Beitreibungsrecht des Anwalts ist dann von der Berechnung des einzelnen Erstattungsanspruchs abhängig (vgl. § 7 Rdn 70 ff. und VV 1008 Rdn 139 ff.).
Rz. 216
Bei zwei echten Streitgenossen, von denen einer ratenfreie PKH erhalten, der andere hingegen Zahlungen zu erbringen hat, kann der Anwalt bis auf den Erhöhungsbetrag nach VV 1008 über § 50 in der Regel seine volle Vergütung erreichen. Denn die Zahlungspflicht des Streitgenossen der Staatskasse gegenüber erstreckt sich (auch) auf die Gebühren, die er nach § 7 Abs. 2 S. 1 im Außenverhältnis der Streitgenossen zueinander dem Anwalt schuldet. Das muss auch für diejenigen gelten, die dem Anwalt gegen jeden Streitgenossen grundsätzlich nur einen wert- oder kopfanteiligen Teilanspruch zubilligen wollen (vgl. § 7 Rdn 110, VV 1008 Rdn 146 ff.), da selbige den gesetzlichen Anspruch gegen jeden Streitgenossen nach § 7 Abs. 2 S. 1 jedenfalls dann wieder aufleben lassen wollen, wenn das Ziel einer vollen Vergütung anders nicht erreichbar ist.
Beispiel: S und T werden als Gesamtschuldner auf Schadensersatz in Höhe von 22.000 EUR verklagt. Beide erhalten PKH, T jedoch nur mit einer Zahlungsanordnung von 225 EUR. Der Prozess geht nach Beweisaufnahme für sie verloren.
Der beigeordnete Anwalt kann nach § 49 insgesamt 1.353,27 EUR abrechnen (1,3 + 0,3-Verfahrensgebühr zzgl. 1,2-Terminsgebühr von jeweils 399 EUR zzgl. Kostenpauschale 20 EUR zzgl. USt). T schuldet nach § 7 Abs. 2 insgesamt 2.623,95 EUR (2,5 Gebühren à 874 EUR zzgl. Kostenpauschale und USt). Die volle gesetzliche Vergütung des Anwalts beträgt 2.935,97 EUR (2,8 Gebühren à 874 EUR zzgl. Kostenpauschale und USt). Davon hat er 1.353,27 EUR erhalten, so dass noch 1.582,70 EUR offen sind. Nach § 50 stehen ihm noch bis zu 1.270,68 EUR zu (von T geschuldete 2.623,95 EUR abzgl. erhaltene 1.353,27 EUR), soweit die von T eingezahlten Raten nach Berücksichtigung der Gerichtskosten das hergeben. (Der verbleibende Restbetrag von 293,45 EUR setzt sich zusammen aus der Erhöhung gem. VV 1008 und der Umsatzsteuer.)
Rz. 217
Haben zwei oder mehrere echte Streitgenossen Zahlungen zu erbringen, ist die weitere Vergütung in jedem Fall abgedeckt.
Variante 1: Der Anwalt vertritt auch U, der ebenfalls als Gesamtschuldner mit Erfolg auf Zahlung von 22.000 EUR verklagt worden ist. U hat PKH mit einer Monatsrate von 135 EUR erhalten.
Die Grundvergütung des Anwalts beträgt 1.495,71 EUR (1,3 + 0,3 + 0,3-Verfahrensgebühr zzgl. 1,2-Terminsgebühr von jeweils 399 EUR zzgl. Kostenpauschale und USt), seine volle Vergütung 3.056,16 EUR. T und U müssten zusammen an Anwaltskosten bis zu 5.247,90 EUR (2 x 2.623,95 EUR) ratenweise aufbringen und damit (deutlich) mehr als die volle Vergütung. Tatsächlich brauchen sie allerdings nur diese zu zahlen, und zwar jeweils nur zur Hälfte (1.528,08 EUR), es sei denn, die festgesetzten Raten sind bei einem von ihnen nicht in entsprechender Höhe durchsetzbar.
Rz. 218
Bei unechten Streitgenossen mit PKH, denen teilweise Zahlungen auferlegt worden sind, ist die Berechnung der weiteren Vergütung von dem Umfang ihrer Beteiligung an dem gesamten Gegenstandswert abhängig.
Variante 2: Die Klage richtet sich gegen S in Höhe von 16.000 EUR, gegen T in Höhe von weiteren 4.000 EUR sowie gegen U in Höhe von 2.000 EUR (Streitwert: 22.000 EUR) und hat vollen Erfolg.
Die Grundvergütung des Anwalts beläuft sich auf 1.210,82 EUR (2,5 Gebühren nach § 49 von 22.000 EUR zzgl. Kostenpauschale und USt), die volle Vergütung auf 2.623,95 EUR. An Einzelschulden gem. § 7 Abs. 2 S. 1 entfallen auf T insgesamt 850,85 EUR (2,5 Gebühren von 4.000 EUR zu je 278 EUR zzgl. Kostenpauschale und USt) und auf U insgesamt 517,65 EUR (2,5 Gebühren von 2.000 EUR zu je 166 EUR zzgl. Kostenpauschale und USt). Die Staatskasse darf von den eingegangenen Raten des T insgesamt 850,85 EUR (2,5 Gebühren nach §§ 13, 49 von 4.000 EUR zu je 278 EUR zzgl. Kostenpauschale und USt) und von denen des U die gesamten Anwaltskosten mit 517,65 EUR auf die Grundvergütung verrechnen, zusammen jedoch nicht mehr als den von ihr an den Anwalt tatsächlich gezahlten Betrag. Folglich wird die Summe der über die Raten aufzubringenden Einzelschulden von 1.368,50 EUR (850,85 EUR von T zzgl. 517,65 EUR von U) durch die Grundvergütung in Höhe eines Teilbetrages von 1.210,82 EUR aufgezehrt. Der Rest von 157,68 EUR stünde als weitere Vergütung für den beigeordneten Anwalt zur Verfügung, falls alle Raten erbracht und also auch die sonstigen Kosten des § 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gedeckt sind.