Norbert Schneider, Peter Fölsch
Rz. 64
Deckt die Pflichtverteidigerbestellung die Tätigkeiten, die der Anwalt bislang als Wahlverteidiger ausgeübt hat, nicht ab, so kommt eine Anrechnung von Vorschüssen und Zahlungen auf die Wahlverteidigergebühren nicht in Betracht. Dabei spielt es keine Rolle, ob ausdrücklich auf die Wahlverteidigervergütung gezahlt wird oder ob ohne eine Bestimmung gezahlt wird. Fehlt eine Bestimmung, so wäre der Vorschuss oder die Zahlung nach § 366 Abs. 2 BGB auf die Wahlverteidigergebühren zu verrechnen, da sie im Zweifel früher fällig werden, jedenfalls aber die geringere Sicherheit bieten.
Beispiel 1: Der Beschuldigte beauftragt den Anwalt mit seiner Verteidigung und zahlt einen Vorschuss i.H.v. 400 EUR für das erstinstanzliche Verfahren. Nach Abschluss der ersten Instanz wird Berufung eingelegt und der Anwalt als Pflichtverteidiger bestellt.
Der Vorschuss darf nicht angerechnet werden, da für das erstinstanzliche Verfahren keine Pflichtverteidigervergütung gezahlt wird und der Vorschuss entweder kraft ausdrücklicher Bestimmung (§ 366 Abs. 1 BGB), zumindest aber nach § 366 Abs. 2 BGB, zunächst nur auf die Wahlverteidigervergütung verrechnet werden muss.
Beispiel 2: Wie Beispiel 1; der Beschuldigte hat jedoch einen pauschalen Vorschuss i.H.v. 1.000 EUR zuzüglich Umsatzsteuer geleistet.
Ist der Vorschuss ausdrücklich nur für das erstinstanzliche Verfahren geleistet worden, so kommt eine Anrechnung nach Abs. 3 S. 1 wiederum nicht in Betracht, da nicht auf eine Vergütung geleistet worden ist, auf die sich die Pflichtverteidigerbestellung erstreckt und Zahlungen auf andere Verfahrensabschnitte nicht angerechnet werden dürfen (Abs. 3 S. 1).
Wurde der Vorschuss dagegen pauschal für die gesamte Verteidigung gezahlt, so ist der durch das vorbereitende Verfahren und die erste Instanz nicht verbrauchte Vorschuss
I. Vorbereitendes Verfahren
1. |
Grundgebühr, VV 4100 |
220,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, VV 4104 |
181,50 EUR |
3. |
Auslagen, VV 7002 |
20,00 EUR |
Gesamt |
421,50 EUR |
II. Gerichtliches Verfahren
1. |
Verfahrensgebühr, VV 4106 |
181,50 EUR |
2. |
Terminsgebühr, VV 4106 |
302,50 EUR |
3. |
Auslagen, VV 7002 |
20,00 EUR |
Gesamt |
504,00 EUR |
Gesamt I + II |
925,50 EUR |
abzüglich Vorschuss |
– 1.000,00 EUR |
Überschuss |
– 74,50 EUR |
auf die weitere Vergütung des Berufungsverfahrens zu verrechnen und somit nach Abs. 3 S. 1 – vorbehaltlich des Abs. 3 S. 3 – anzurechnen.
Rz. 65
Ist bei der Zahlung des Mandanten von diesem eine Zahlungsbestimmung angegeben, dann ist diese maßgebend. Der Rechtsanwalt ist nicht dazu berechtigt, Vorschüsse, die auf ein bestimmtes Aktenzeichen eingezahlt werden, nach freiem Belieben auf andere Verfahren zu verrechnen.