Rz. 12
Sind mehrere Anwälte gemeinschaftlich beauftragt, so steht jedem die volle Vergütung zu. Der Wortlaut der Vorschrift ist allerdings in mehrfacher Hinsicht missverständlich. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, klarzustellen, dass durch das gemeinschaftliche Tätigwerden mehrerer Anwälte in derselben Sache die anfallenden Gebühren nicht etwa auf die beteiligten Anwälte verteilt werden, etwa dergestalt, dass bei zwei Anwälten jeder nur die Hälfte der Gebühren verlangen kann oder dass Gesamtgläubigerschaft hinsichtlich der Gebühren besteht. Vielmehr soll jedem Anwalt ein eigener Gebührenanspruch auf die volle Vergütung zustehen. Voraussetzung ist allerdings, dass seine Tätigkeit die entsprechenden Gebührentatbestände auch selbst ausgelöst hat. Nach dieser Vorschrift werden also Tätigkeiten des einen Anwalts dem anderen – im Gegensatz zu den Fällen des § 5 – nicht zugerechnet.
Beispiel: In einem Rechtsstreit beauftragt der Mandant zwei Prozessbevollmächtigte. Nur einer von ihnen nimmt an der mündlichen Verhandlung teil.
Die Terminsgebühr erhält nur derjenige Anwalt, der an der Verhandlung teilgenommen hat; der andere erhält keine Terminsgebühr (sofern dieser den Tatbestand der VV 3104 nicht anderweitig, etwa durch außergerichtliche Besprechungen, verwirklicht hat). Das Verhandeln des einen Anwalts wird nicht dem anderen zugerechnet.
Rz. 13
Sofern der eine Anwalt allerdings zugleich den anderen vertritt, greift § 5, so dass dann beide Anwälte die entsprechenden Gebühren verdienen.
Beispiel: Der Mandant hat zwei Anwälte als Prozessbevollmächtigte A und B beauftragt. Zum Verhandlungstermin erscheint nur Anwalt A, dieser erklärt aber, auch für Anwalt B aufzutreten.
A erhält die Terminsgebühr unmittelbar. Über § 5 erhält auch B die Terminsgebühr.
Rz. 14
Auch im Übrigen ist die Vergütung für jeden der gemeinschaftlich tätigen Anwälte gesondert zu bestimmen. Dies bedeutet also, dass es für die Anwendung des maßgeblichen Gebührenrechts für jeden Anwalt gemäß §§ 60, 61 auf den Zeitpunkt des ihm erteilten Auftrags ankommt. Auch bei sonstigen individuellen Umständen ist jeweils auf den einzelnen Anwalt abzustellen. Die Verjährung kann unterschiedlich zu laufen beginnen, wenn die Tätigkeit des einen Anwalts früher endet als die des anderen.
Rz. 15
Auch bei Rahmengebühren darf die Vorschrift des § 6 nicht wörtlich verstanden werden, also dass jeder der beauftragten Anwälte seine Vergütung in derselben Höhe erhält. Jeder Anwalt hat vielmehr nach § 14 Abs. 1 die Höhe seiner Vergütung individuell zu bestimmen, und zwar unabhängig von der Tätigkeit des anderen Anwalts. Hier kann sich also ausnahmsweise eine interne Arbeitsteilung auf die Höhe der Vergütung auswirken.
Beispiel: In einer Strafsache beauftragt der Beschuldigte zwei Anwälte mit seiner Verteidigung. Der eine Anwalt führt mit der Staatsanwaltschaft eine umfangreiche Besprechung und erreicht, dass das Verfahren mit dem Erlass eines Strafbefehls abgeschlossen wird.
Die Tätigkeit des einen Anwalts dürfte gemäß § 14 Abs. 1 im oberen Bereich anzusiedeln sein, während die Tätigkeit des anderen Anwalts eher im unteren Gebührenbereich liegen dürfte.
Rz. 16
Unzutreffend ist jedoch die Auffassung, dass die Vertretung durch mehrere Verteidiger grundsätzlich für jeden Anwalt zu einem geringeren Umfang führe, da die Möglichkeit der Arbeitsteilung bestehe.
Rz. 17
Gleiches gilt in Angelegenheiten, in denen Satzrahmengebühren anfallen, oder in Sozialsachen, deren Gebühren sich nicht nach dem Wert richten (§ 3 Abs. 1, Abs. 2).
Rz. 18
Bei Wertgebühren kann sich eine unterschiedliche Vergütung auch aus unterschiedlichen Gegenstandswerten ergeben.
Beispiel: In einem Schadensersatzprozess beauftragt der Mandant zwei Prozessbevollmächtigte mit der Klage. Hinsichtlich einer von der Gegenseite erhobenen Widerklage beauftragt er nur einen von ihnen.
Während der eine Anwalt nur nach dem Wert der Klage abrechnen kann, richtet sich für den anderen der Gegenstandswert nach den addierten Beträgen von Klage und Widerklage (§ 23 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 45 Abs. 1 S. 1 GKG).
Rz. 19
Darüber hinaus können bestimmte besondere Gebühren nur für einen Anwalt anfallen.
Beispiel 1: Von mehreren Prozessbevollmächtigten nimmt nur einer an der mündlichen Verhandlung teil.
Jeder Anwalt erhält nach § 6 die volle Verfahrensgebühr; die Terminsgebühr erhält dagegen nur der Anwalt, der an der Verhandlung teilgenommen hat; der andere erhält keine Terminsgebühr (sofern dieser den Tatbestand der VV 3104 nicht anderweitig, etwa durch außergerichtliche Besprechungen verwirklicht hat) oder der eine für den anderen mit aufgetreten ist – dann gilt wiederum § 5.
Beispiel 2: In einer Strafsache sind mehrere Verteidiger beauftragt. Nur einer von ihnen erhält zusätzlich den Auftrag für das Adhäsionsverfahren.
Nur dieser Anwalt erhält zusätzlich die Vergütung nach VV 4143.
Beispiel 3: In einem Zivilprozess sind mehrere Prozessbevollmächtigte beauftragt. Nur einer von ihnen stellt einen Befangenheitsantrag und legt gegen die ablehnende ...