Rz. 1
Während in den jeweiligen Gebühren- und Auslagentatbeständen geregelt ist, welche Vergütung der Anwalt für seine Tätigkeit erhält, also wann und unter welchen Voraussetzungen der Vergütungsanspruch entsteht, bestimmt Abs. 1, wann die Vergütung fällig wird, also wann der Anwalt mit dem Auftraggeber abrechnen kann. Die Vorschrift des Abs. 1 ist damit lex specialis zu § 271 BGB, wonach die Leistung jederzeit verlangt werden kann. Bis zum Eintritt der Fälligkeit kann der Anwalt lediglich nach § 9 oder § 47 Vorschüsse verlangen.
Rz. 2
Die Regelung des § 8 Abs. 1 entspricht inhaltsgleich dem früheren § 16 BRAGO, so dass die dazu ergangene Rechtsprechung weiterhin Gültigkeit hat.
Rz. 3
Die Fälligkeit ist für jede Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 1 gesondert zu betrachten, u.U. sogar für Teile der Angelegenheit (Abs. 1 S. 2). Die gesamte Vergütung für ein Mandat wird nicht einheitlich fällig. Vielmehr wird die Vergütung für jede gebührenrechtliche Angelegenheit dieses Mandats gesondert fällig. Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 S. 2 können sogar Teile der Vergütung aus derselben Angelegenheit gesondert fällig werden. Lediglich für die Hemmung der Verjährung ist eine übergreifende Regelung in Abs. 2 vorgesehen.
Beispiel: Der Anwalt vertritt den Auftraggeber zunächst außergerichtlich. Anschließend erhält er den Auftrag zum Mahnverfahren und hiernach für das streitige Verfahren.
Es sind drei Angelegenheiten gegeben (außergerichtliche Vertretung, Mahnverfahren und Rechtsstreit). Daher sind auch drei Fälligkeiten gegeben. Ebenso laufen drei unterschiedliche Verjährungsfristen, auch wenn die Verjährung der Vergütung für das Mahnverfahren solange gehemmt wird, bis das streitige Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist (§ 8 Abs. 2).
Rz. 4
Die Vorschrift des Abs. 1 gilt für sämtliche Vergütungen, soweit sie nach dem RVG zu berechnen sind, also auch für vereinbarte Vergütungen (§§ 3a ff.) und Auslagen, soweit Letztere im RVG geregelt sind (VV 7000 ff.). Sie gilt auch im Verhältnis zu Dritten, die sich neben oder anstelle des Auftraggebers für die Vergütung des Anwalts verpflichtet haben, z.B. im Wege des Schuldbeitritts oder im Falle der Rechtsschutzversicherung bei einer Direktversicherung.
Rz. 5
Auch für den Pflichtverteidiger und den im Rahmen der Prozesskostenhilfe oder anderweitig gerichtlich beigeordneten oder bestellten Anwalt bestimmt sich die Fälligkeit seiner Vergütung grundsätzlich nach Abs. 1 (zur Ausnahme bei der nach § 42 oder § 51 zu bewilligenden Pauschvergütung siehe § 51 Rdn 130 ff., § 42 Rdn 51).
Rz. 6
Keine Anwendung soll Abs. 1 auf solche Auslagen finden, die sich "nicht nach dem RVG berechnen", also z.B. vorgelegte Gerichtskosten, Gerichtsvollzieherkosten, Sachverständigen- und Dolmetscherkosten. Insoweit soll die allgemeine Vorschrift des § 271 BGB gelten, wonach die Erstattungsforderung sofort fällig wird. Das ist jedoch unzutreffend; auch Auslagen, die sich "nicht nach dem RVG berechnen", also Auslagen nach §§ 675, 670 BGB, sind Auslagen nach dem RVG, wie sich aus VV Vorb. 7 Abs. 1 S. 1 ergibt. Daher gilt auch hier § 8. Will der Anwalt vorgelegte Kosten erstattet verlangen, ist er damit nicht rechtlos gestellt; er kann insoweit einen Vorschuss nach § 9 verlangen.
Rz. 7
Zum Teil wird in Anm. Abs. 2 S. 2 zu VV 1009 ein Sondertatbestand zur Fälligkeit gesehen. Dies ist jedoch unzutreffend, da dies auch zur Folge hätte, dass bereits schon durch die bloße Möglichkeit, die Hebegebühr dem Fremdgeld zu entnehmen, die Verjährung in Gang gesetzt würde. Bei der Anm. Abs. 2 S. 2 zu VV 1009 dürfte es sich lediglich um eine besondere Ausgestaltung des Rechts auf Vorschuss handeln. Abgesehen davon hat die Frage keine Bedeutung, wenn man zutreffenderweise jeden Auszahlungsvorgang als selbstständige Angelegenheit ansieht.
Rz. 8
Ebenso wird die Auffassung vertreten, dass die Vollstreckungsvergütung, die nach § 788 Abs. 1 S. 1 ZPO zugleich mit der Hauptsache beigetrieben wird, mit ihrer Einziehung fällig werde, auch wenn die Zwangsvollstreckung noch nicht beendet sei. Auch diese Auffassung ist nicht richtig, da auch hier die Verjährungsfrist vorzeitig zu laufen begänne und die Honorarforderung des Anwalts verjährt sein könnte, bevor die Angelegenheit beendet wäre.
Rz. 9
Die Vorschrift des § 8 Abs. 1 ist dispositiv. Die Fälligkeit kann daher von den Parteien abweichend geregelt werden. Die Vereinbarung einer vorzeitigen Fälligkeit bedarf keiner Form, da dadurch keine höhere als die gesetzliche Vergütung vereinbart wird. Abweichende Fälligkeitsvereinbarungen kommen insbesondere in Vergütungsvereinbarungen vor. Sie können auch konkludent geschlossen werden, etwa wenn eine Stundensatzvereinbarung getroffen worden ist und die Parteien regelmäßige Zwischenabrechnungen vereinbart haben.