Rz. 46
Der Anwalt ist berechtigt, seinen Vorschuss nach der Höhe aller voraussichtlich anfallender Gebühren zu berechnen. Die Berechnung der möglicherweise anfallenden Gebühren muss also die Kalkulationsgrundlage für den Vorschuss sein.
Rz. 47
Soweit Gebühren bereits angefallen sind, also soweit deren Tatbestände erfüllt, aber noch nicht fällig sind, kann in deren Höhe immer ein Vorschuss verlangt werden. Dies ist auf jeden Fall angemessen, wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 9 ergibt.
Rz. 48
Vorschüsse in Höhe von Gebühren, die gar nicht anfallen können, dürfen selbstverständlich auch nicht erhoben werden. Darüber hinaus wird man ein Recht auf Vorschuss wohl auch für solche Gebühren ablehnen müssen, die zwar theoretisch möglich sind, für deren späteren Anfall aber (noch) gar kein Anhaltspunkt besteht.
Rz. 49
So dürfte für einen Rechtsstreit nach VV Teil 3 ein Vorschuss in Höhe von 2,5 Gebühren (1,3-Verfahrensgebühr + 1,2-Terminsgebühr) angemessen sein. Für eine außergerichtliche Vertretung ist es angemessen, die Geschäftsgebühr (siehe VV 2300) vorschussweise abzurechnen. Entsprechendes gilt in sozialrechtlichen Angelegenheiten.
Rz. 50
Ob es auch angemessen ist, schon zu Beginn des Mandates eine eventuelle Einigungs- oder Erledigungsgebühr als Vorschuss anzufordern, erscheint fraglich. Soweit der Mandant bereits auf eine einvernehmliche Regelung hinstrebt oder eine solche erfahrungsgemäß zu erwarten ist, wie z.B. bei einem Kündigungsschutzprozess, dürften keine Bedenken bestehen. Sofern eine Einigung noch nicht in Sicht ist, erscheint es fraglich, ob insoweit bereits ein Vorschuss verlangt werden kann, zumal der Anwalt das Recht hat, jederzeit einen weiteren Vorschuss zu fordern.
Rz. 51
In einer Strafsache bestehen keine Bedenken, die Grundgebühr, die entsprechende Verfahrensgebühr und auch bereits Terminsgebühren nach VV 4102 und Gebühren für die Hauptverhandlungstermine vorschussweise anzufordern. Soweit sich in Straf- und Bußgeldverfahren die Anzahl der möglicherweise anfallenden Terminsgebühren nicht absehen lässt, wird man sich an der voraussichtlichen Zahl der Hauptverhandlungstage orientieren. Dauert das Verfahren länger, kann auch hier nachgefordert werden.
Rz. 52
Erhöhungen (wie etwa den Haftzuschlag nach VV Vorb. 4 Abs. 4) oder zusätzliche Gebühren (wie etwa nach VV 4142 bei Einziehung) wird der Anwalt dagegen wohl nur dann zugrunde legen dürfen, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass diese Erhöhungen oder zusätzliche Gebühren auch anfallen. Dagegen ist der Anfall einer Gebühr nach VV 4141 oder VV 5115 so häufig, dass hier keine Bedenken bestehen, die Gebühr beim Vorschuss zu berücksichtigen, zumal hier im Gegensatz z.B. zu Terminsgebühren häufig keine Möglichkeit besteht, die Tätigkeit von der Zahlung eines Vorschusses abhängig zu machen, wenn sich die Verwirklichung des Gebührentatbestandes abzeichnet.
Rz. 53
Da das RVG grundsätzlich in Angelegenheiten "denkt", dürfte sich der Vorschuss auch nur auf die Gebühren erstrecken, die in der betreffenden Angelegenheit entstehen, zumal für eine sich anschließende Angelegenheit noch gar kein unbedingter Auftrag vorliegt.
Rz. 54
Sofern allerdings bereits ein bedingter Auftrag für eine Folgeangelegenheit erteilt ist, bestehen keine Bedenken, auch für diese Angelegenheit bereits einen Vorschuss zu verlangen, sofern zu erwarten ist, dass es hierzu kommt.
Beispiel: Gegen den Betroffenen wird in einer Bußgeldsache ermittelt. Er beauftragt den Anwalt als Verteidiger. Dieser soll gegen den Bußgeldbescheid Einspruch einlegen und den Mandanten auch im späteren gerichtlichen Verfahren vor dem Amtsgericht vertreten. Der Verteidiger beantragt vorschussweise neben der Grundgebühr sowohl die Verfahrensgebühr für das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde als auch die Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren vor dem Amtsgericht.
Das Verfahren vor dem Amtsgericht ist eine neue Angelegenheit. Hierfür liegt aber bereits ein bedingter Auftrag vor, so dass keine Bedenken bestehen, auch insoweit bereits einen Vorschuss anzufordern, "zumal Einsprüche bei der Verwaltungsbehörde regelmäßig nicht einmal gelesen werden, so dass die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens und das Anfallen – mindestens – der gerichtlichen Verfahrensgebühr ganz überwiegend wahrscheinlich ist."
Rz. 55
Soweit dem Anwalt eine Vergütung gegen die Staatskasse zusteht, sei er im Rahmen der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe oder nach § 138 FamFG beigeordnet, nach §§ 57, 58 ZPO, § 67a VwGO, als Pflichtverteidiger oder anderweitig bestellt, steht ihm ein Recht auf Vorschuss gegen die Staatskasse zu (§ 47; siehe Rdn 12 ff.). Hier gilt allerdings eine Einschränkung: Vorschüsse auf Gebühren können nur verlangt werden, soweit die Gebühren bereits entstanden sind, und zwar lediglich in Höhe der für den bestellten oder beigeordneten Anwalt vorgesehenen Vergütung (siehe hierzu § 47 Rdn 1 ff.).
Rz. 56
Ist dem Mandanten nur teilweise Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe bewilligt, kann der Anwa...