Rz. 77
Bei Gebührentatbeständen, die der Verfahrensgebühr ähnlich oder verwandt sind, findet – sofern dies nicht bereits durch das Gesetz, wie z.B. in VV 3305, angeordnet ist – eine Anrechnung statt. Wenn also eine im vorgenannten Sinne wesensgleiche Gebühr schon angefallen war, ist es ausgeschlossen, dass daneben noch eine Verfahrensgebühr anfällt (bzw. diese zwar grundsätzlich anfällt, insgesamt aber nur eine Gebühr angesetzt werden kann). Ist eine der beiden Gebühren höher, kann insgesamt nur diese Gebührenhöhe – wenn auch aus unterschiedlichen Vorschriften – verlangt werden. Umgekehrt kann eine derartig verwandte Gebühr nicht noch zusätzlich anfallen, wenn zuvor bereits im gleichen Rechtsstreit eine Verfahrensgebühr angefallen war. Nach herrschender Auffassung kann also derselbe Rechtsanwalt neben der Verfahrensgebühr nach VV 3100 nicht zusätzlich eine Verkehrsgebühr nach VV 3400 und dementsprechend auch nicht neben der Verkehrsgebühr zusätzlich eine Verfahrensgebühr erhalten. Die Gebühren schließen sich infolge ihrer Wesensgleichheit gegenseitig aus bzw. sind gegeneinander anzurechnen. Im Ergebnis kann der Rechtsanwalt also nur insgesamt 1,3-Gebühren verlangen.
Beispiel: Der zunächst nur als Verkehrsanwalt i.S.v. VV 3400 tätige Rechtsanwalt wird von dem Mandanten später zum Prozessbevollmächtigten bestellt. Die Gebühr nach VV 3400 beträgt 1,0, so dass durch die Bestellung zum Prozessbevollmächtigten eine restliche Verfahrensgebühr nur noch i.H.v. 0,3 anfallen kann.
Rz. 78
Hiervon zu unterscheiden ist die Frage der Erstattungsfähigkeit der angefallenen Gebühren. Bei der Prüfung der Erstattungsfähigkeit ist jeder Gebührentatbestand einzeln heranzuziehen. Wenn z.B. der Mahnanwalt später Verkehrsanwalt wird, kann die – evtl. nicht erstattungsfähige – Gebühr der VV 3400 als Gebühr gemäß VV 3305 erstattungsfähig sein, wenn mit einem Widerspruch gegen den Mahnbescheid nicht zu rechnen war. Umgekehrt ist es denkbar, dass die Mahngebühr nicht erstattungsfähig ist, aber die später entstandene Gebühr gemäß VV 3400, weil z.B. die fiktiven Informationsreisekosten der Partei gleich hoch gewesen wären oder die Hinzuziehung eines Korrespondenzanwalts als notwendig anzusehen ist.
Rz. 79
Tritt der ursprüngliche Verkehrsanwalt nach Verweisung des Rechtsstreits bei dem Gericht, an das verwiesen wird, nunmehr als Hauptbevollmächtigter auf, führt dies dazu, dass bei einer Anrufung eines unzuständigen Gerichts die im dortigen Verfahren zunächst angefallene Verkehrsanwaltsgebühr nicht festsetzungsfähig ist. Die Anrufung des unzuständigen Landgerichts führt also zu keiner besonderen Kostenmehrbelastung des Beklagten, für die der Kläger aufzukommen hätte.