Rz. 238
Anzurechnen ist die Geschäftsgebühr auf die (ggf. verminderte) Verfahrensgebühr zur Hälfte, höchstens jedoch mit einem Gebührensatz von 0,75. Die Anrechnung der Geschäftsgebühr wird also auf einen maximalen Gebührensatz von 0,75 begrenzt. Diese Kappungsgrenze wird immer dann relevant, wenn der Rechtsanwalt einen Gebührensatz von mehr als 1,5 berechnet. In den anderen Fällen ist die Hälfte der Geschäftsgebühr ohnehin niedriger als die Höchstgrenze von 0,75.
Beispiel: Der Rechtsanwalt macht eine Forderung i.H.v. 4.500 EUR geltend. Alle Umstände sind durchschnittlich. Da keine Zahlung erfolgt, beauftragt sein Auftraggeber ihn, Klage zu erheben. Der Rechtsanwalt erhält:
Gegenstandswert: 4.500 EUR
I. Außergerichtliche Tätigkeit
1. |
1,3-Geschäftsgebühr, VV 2300 |
|
434,20 EUR |
2. |
Auslagenpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
454,20 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
86,30 EUR |
Gesamt |
|
540,50 EUR |
II. Gerichtliche Tätigkeit
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
|
434,20 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, VV 3104 |
|
400,80 EUR |
3. |
./. hälftige Geschäftsgebühr |
|
– 217,10 EUR |
|
Zwischensumme |
617,90 EUR |
|
4. |
Auslagenpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
637,90 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
121,20 EUR |
Gesamt |
|
759,10 EUR |
Rz. 239
Dagegen greift die Kappungsgrenze, wenn die hälftige Geschäftsgebühr höher wäre als 0,75, weil der Rechtsanwalt einen Gebührensatz von mehr als 1,5 für angemessen hält.
Beispiel: Der Rechtsanwalt wird mit der Abwehr einer Forderung i.H.v. 6.800 EUR beauftragt. Da die Rechtslage sehr kompliziert ist und umfangreicher Schriftverkehr sowie zahlreiche Besprechungen erforderlich sind, bestimmt er als angemessene Geschäftsgebühr einen Gebührensatz von 2,0. Danach macht die Gegenseite die Forderung gerichtlich geltend. Der Anwalt wird mit der Abwehr der Klage beauftragt.
I. Außergerichtliche Tätigkeit
1. |
2,0-Geschäftsgebühr, VV 2300 |
|
892,00 EUR |
2. |
Auslagenpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
912,00 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
173,28 EUR |
Gesamt |
|
1.085,28 EUR |
Müsste im gerichtlichen Verfahren die Hälfte der Geschäftsgebühr angerechnet werden, ergäbe sich ein Betrag von 400 EUR. Hier greift jedoch die Kappungsgrenze von 0,75, so dass lediglich 334,50 EUR anzurechnen sind.
II. Gerichtliche Tätigkeit
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
|
579,80 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, VV 3104 |
|
535,20 EUR |
3. |
./. anzurechnende Geschäftsgebühr |
|
– 334,50 EUR |
4. |
Auslagenpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
800,50 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
152,10 EUR |
Gesamt |
|
952,60 EUR |
Berechnet der Rechtsanwalt also die Mindestgebühr von 0,5, werden 0,25 angerechnet. Stellt er die Regelgebühr von 1,3 in Rechnung, werden 0,65 angerechnet, bei einer Gebühr von 1,5 werden 0,75 angerechnet. Bei allen höheren Beträgen werden ebenfalls 0,75 angerechnet. Stellt der Rechtsanwalt beispielsweise einen Gebührensatz von 2,0 in Rechnung, werden 0,75 angerechnet, so dass 1,25 erhalten bleiben.
Rz. 240
Trifft die Anrechnung nach Abs. 4 mit einer Kürzung des Gebührenaufkommens nach § 15 Abs. 3 zusammen, so ist nach richtiger Ansicht zunächst die Anrechnung vorzunehmen und erst dann zu prüfen, ob das verbleibende Gebührenaufkommen noch nach § 15 Abs. 3 gekürzt werden muss. Denn wenn die Summe der (durch Anrechnung verminderten) Einzelgebühren die höchste Gebühr aus dem Gesamtwert nicht überschreitet, ist dem Sinn und Zweck von § 15 Abs. 3 Genüge getan. Nach der Gegenansicht ist zunächst das Gebührenaufkommen nach § 15 Abs. 3 zu kürzen und dann die Anrechnung nach Abs. 4 vorzunehmen.
Rz. 241
Schließen die Parteien einen Vergleich, wonach der Beklagte sich verpflichtet, dem Kläger 90 % der Geschäftsgebühr zu ersetzen, so muss sich der Kläger im Kostenfestsetzungsverfahren 90 % der hälftigen Geschäftsgebühr anrechnen lassen.