Rz. 13
Aus der Stellung der Vorschrift in VV Teil 1 "Allgemeine Gebühren" folgt, dass die Einigungsgebühr grundsätzlich in jeder Angelegenheit entstehen kann. Verfehlt ist daher die Auffassung des LG Saarbrücken, neben einer Geschäftsgebühr nach VV 2300 könne keine Einigungsgebühr anfallen, weil VV Teil 2 eine abschließende Regelung enthalte.
Rz. 14
Insbesondere kann die Einigungsgebühr bei außergerichtlicher Tätigkeit (VV 2300) entstehen sowie im Rechtsstreit (VV 3100). Auch in Vor- und Nebenverfahren des Rechtsstreits sind Einigungen möglich, also im Mahnverfahren (VV 3305 f.), im Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (VV 3335 f.), im Räumungsfristverfahren (VV 3334) sowie in Arrest- und einstweiligen Verfügungsverfahren (VV 3100 ff.).
Rz. 15
Auch im Rahmen der Beratung (§ 34 Abs. 1) ist der Abschluss einer Einigung möglich. Wie sich aus Anm. Abs. 1 ergibt, muss der Anwalt die Einigung nicht selbst abgeschlossen haben. Es genügt, dass er für den Abschluss der Einigung mitursächlich war. Dies kann auch bei einer Beratung durchaus der Fall sein. In Anm. Abs. 1 S. 3 zu VV 1005 wird hierzu klargestellt, dass in Angelegenheiten, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, die Einigungsgebühr bei einer Beratung 150 EUR beträgt.
Beispiel 1: Der Mandant wird vom Anwalt über die Höhe des ihm zustehenden Unterhalts beraten und lässt sich einen Einigungsvorschlag ausarbeiten. Auf der Basis dieses Vorschlages schließt der Mandant dann unmittelbar mit der Gegenseite eine Einigung.
Beispiel 2: Der Anwalt berät den Mandanten darüber, ob er eine von der Gegenseite angebotene Einigung annehmen soll, was dann auch auf den Rat des Anwalts hin geschieht.
Beispiel 3: Der Anwalt rät davon ab, eine unter Widerrufsvorbehalt geschlossene Einigung zu widerrufen.
In sämtlichen Beispielen hat der Anwalt auch eine Einigungsgebühr nach VV 1000 verdient.
Rz. 16
Ebenso kann eine Einigung in Zwangsvollstreckungssachen (VV 3309 f.), in Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungssachen (VV 3311 ff.) etc. geschlossen werden.
Rz. 17
Auch der Verkehrsanwalt (VV 3400), der Terminsvertreter (VV 3401 f.) sowie der mit Einzeltätigkeiten beauftragte Anwalt (VV 3403) können neben ihren dortigen Gebühren eine Einigungsgebühr verdienen, wenn sie beim Abschluss einer Einigung mitwirken (vgl. Rdn 131 f.). Ebenso kann der Vertreter eines Nebenintervenienten eine Einigungsgebühr verdienen (vgl. Rdn 97).
Rz. 18
In Strafsachen ist eine Einigung ebenfalls möglich, soweit dort vermögensrechtliche Ansprüche abgehandelt werden, also im Adhäsionsverfahren (VV 4143 ff.) oder im Privatklageverfahren, wenn die Parteien sich nicht nur über die Privatklage einigen, sondern auch über zivilrechtliche Ansprüche, wie z.B. einen Schmerzensgeldanspruch (Anm. zu VV 4147). Daneben ist sogar eine Einigungsgebühr möglich, wenn sich die Parteien im Privatklageverfahren hinsichtlich des Strafausspruchs oder des Kostenerstattungsanspruchs – dem Grunde nach – einigen (VV 4147).
Rz. 19
Auch in Verwaltungsgerichtsverfahren sowie in Sozialgerichtsverfahren, in denen sich die Gebühren nach dem Wert richten (§ 3 Abs. 1 S. 2), ist grundsätzlich eine Einigungsgebühr nach VV 1000 ff. möglich. Hier ist allerdings Anm. Abs. 4 zu beachten. In aller Regel werden die Parteien über den Streitstoff nicht verfügen können, so dass der Abschluss einer Einigung bereits aus materiell-rechtlichen Gründen nicht in Betracht kommt. In diesen Fällen kommt aber regelmäßig der Anfall einer Erledigungsgebühr in Betracht.
Rz. 20
Keine Anwendung findet VV 1000 dagegen in Rechtsverhältnissen des öffentlichen Rechts, soweit die Parteien über den Streitstoff vertraglich nicht verfügen können (Anm. Abs. 4). Dies gilt auch dann, wenn die Parteien sich im finanzgerichtlichen Verfahren über die Höhe der Steuerfestsetzung einigen. In diesen Verfahren kann allerdings eine Erledigungsgebühr nach VV 1002 entstehen, die der Einigungsgebühr ähnlich ist.
Rz. 21
In Sozialgerichtsverfahren, in denen das GKG nicht gilt (§ 3 Abs. 1 S. 1) und daher Rahmengebühren vorgesehen sind, ist ebenfalls eine Einigungsgebühr möglich. Der frühere Ausschluss nach § 116 Abs. 4 S. 1 BRAGO für die Vergleichsgebühr ist abgeschafft. Allerdings sind auch hier Rahmengebühren vorgesehen, so dass nicht die VV 1000 ff. gelten, sondern die VV 1005 ff.
Rz. 22
In Ehesachen ist eine Einigungsgebühr ebenfalls ausgeschlossen (Anm. Abs. 5 S. 1). Die Anwälte erhalten im Falle der Aussöhnung der Eheleute eine Gebühr nach VV 1001. Der Ausschluss nach Anm. Abs. 5 gilt nur für die Ehesache selbst, nicht auch für Folgesachen (Anm. Abs. 5 S. 2). Gleiches gilt in Verfahren nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz. Auch hier ist die Einigungsgebühr ausgeschlossen; in Folgesachen ist sie dagegen möglich.
Rz. 23
Auch in den Güte- und Schlichtungsverfahren nach VV 2303 kann eine Einigungsgebühr entstehen. Zwar ist die frühere Verweisung auf § 36 (vgl. Anm. Abs. 1 S. 2 zu VV 1000 a.F.) durch das 2. KostRMoG aufgehoben worden. Dies beruht jedoch ni...