Lotte Thiel, Dr. iur. Thomas Eder
Rz. 8
Voraussetzung für das Entstehen der Aussöhnungsgebühr nach Anm. S. 1 ist, dass eine Scheidungssache oder ein Verfahren auf Aufhebung einer Ehe noch nicht anhängig ist, aber der ernstliche Wille eines Ehegatten hervorgetreten ist, ein solches Verfahren anhängig zu machen. Ist die Ehesache oder ein Verfahren auf Aufhebung einer Ehe bereits anhängig oder ein Antrag auf Verfahrenskostenhilfe zur Durchführung eines solchen Verfahrens gestellt, gilt nicht Anm. S. 1 zu VV 1001, sondern VV 1003 oder VV 1004 (Anm. S. 1 zu VV 1003).
Rz. 9
Es muss der ernstliche Wille eines Ehegatten bestehen, die Scheidung oder ein Verfahren zur Aufhebung der Ehe zu beantragen. Dieser Wille muss nach außen hervorgetreten sein. Hierbei genügt es, einen Rechtsanwalt mit der Durchführung des Verfahrens oder der Einreichung eines Verfahrenshilfegesuchs zu beauftragen (ggf. sollte dieser Auftrag schriftlich dokumentiert, idealiter schriftlich bestätigt werden). Nicht ausreichend ist es jedoch, dass ein Ehegatte aus der gemeinsamen Ehewohnung auszieht oder dass nur eine anwaltliche Beratung über den Verlauf eines Scheidungsverfahrens erfolgt. Dies beurteilt das LG Duisburg abweichend: Es spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass ein Sinneswandel der zur Scheidung bereiten Eheleute nach Durchführung einer Beratung durch den Anwalt jedenfalls auch auf die Beratung des Anwalts über die rechtlichen Folgen einer Scheidung zurückzuführen ist. Insoweit dieser Vermutung nicht hinreichend entgegengetreten wird, ist die Beratung auch als ursächlich für die Aussöhnung anzusehen, sodass die Aussöhnungsgebühr ausgelöst wird.
Rz. 10
Für das Entstehen der Aussöhnungsgebühr genügt es deshalb allein, dass nach den gesamten Umständen der Angelegenheit die Überzeugung begründet ist, dass die Tätigkeit des Anwalts irgendwie ursächlich für die Aussöhnung gewesen ist.
Rz. 11
Die Ehesache darf allerdings nicht anhängig sein.
Beispiel: Der Anwalt beantragt für die Ehefrau Zahlung von Trennungsunterhalt. Er ist zudem auch beauftragt, außergerichtlich mit dem Ehemann wegen der Scheidung (Wert: 6.000 EUR) zu verhandeln. Hierbei erreicht der Anwalt eine Aussöhnung der Eheleute.
In der Ehesache war der Anwalt außergerichtlich tätig und erhält hierfür eine Geschäftsgebühr nach VV 2300. Hinzu kommt eine 1,5-Aussöhnungsgebühr nach VV 1001. Eine Reduzierung nach VV 1003 tritt nicht ein, da die Ehesache selbst nicht anhängig war. Die Anhängigkeit anderer Gegenstände ist insoweit unerheblich, selbst dann, wenn es sich um Gegenstände handelt, die im Falle des Scheidungsantrags als Verbundsache zu führen gewesen wären.
1. |
1,5-Geschäftsgebühr, VV 2300 (Wert: 6.000 EUR) |
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585,00 EUR |
2. |
1,5-Aussöhnungsgebühr, VV 1001 (Wert: 6.000 EUR) |
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585,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.190,00 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
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226,10 EUR |
Gesamt |
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1.416,10 EUR |
Rz. 12
Die Anhängigkeit anderer Verfahren, etwa Unterhalt oder Sorgerecht, ist unerheblich. Es entsteht dann gegebenenfalls nur die ermäßigte Verfahrensgebühr analog VV 3101 Nr. 2 sowie eine Terminsgebühr nach VV 3104 aus dem Gesamtwert.
Beispiel: Im Unterhaltsverfahren (Wert: 3.600 EUR) söhnen sich die Beteiligten aus (Wert Ehesache: 6.000 EUR); der Unterhaltsantrag wird daraufhin zurückgenommen.
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 (Wert: 3.600 EUR) |
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361,40 EUR |
2. |
0,8-Verfahrensgebühr, analog VV 3101 Nr. 2 (Wert: 6.000 EUR) (die Höchstgrenze des § 15 Abs. 3 (1,3 aus 9.600 EUR =) 798,20 EUR ist nicht überschritten) |
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312,00 EUR |
3. |
1,2-Terminsgebühr, VV 3104 (Wert: 9.600 EUR) |
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736,80 EUR |
4. |
1,5-Aussöhnungsgebühr, VV 1001, 1003 (Wert: 6.000 EUR) |
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585,00 EUR |
5. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
2.015,20 EUR |
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6. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
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382,89 EUR |
Gesamt |
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2.398,09 EUR |