Rz. 7
Seit der Änderung des § 24 BRAGO durch die Novelle im Jahre 1975 ist durch die Verwendung des Begriffs "Rechtssache" statt "Rechtsstreit" klargestellt, dass der Regelungsbereich des § 24 BRAGO und der diesem nunmehr entsprechenden VV 1002 den gesamten Bereich der Verwaltungsangelegenheiten betrifft, also sowohl die Verfahren vor den Verwaltungsbehörden als auch die gerichtlichen Verfahren, soweit deren Gegenstand ein mit einem Rechtsbehelf angefochtener Verwaltungsakt ist.
Rz. 8
1. Grundsätzliche Voraussetzung ist entweder die Existenz eines Verwaltungsaktes und dessen Anfechtung mit einem Rechtsbehelf oder der Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsaktes. Die Einfügung der zweiten Fallvariante durch S. 2 der Anmerkung entspricht der bisher schon h.M. zu § 24 BRAGO und dient der Rechtsklarheit. Da VV 1002 anders als der bisherige § 24 BRAGO nicht mehr ausschließlich an der Eingriffsverwaltung ausgerichtet ist, andererseits sich der Gesetzesbegründung nicht entnehmen lässt, dass es sich bei der Erweiterung in S. 2 der Anmerkung um eine abschließende Regelung handelt, wird man die Vorschrift nunmehr erst recht erweiternd auslegen müssen. Sie findet daher – wie schon der bisherige § 24 BRAGO – auch in folgenden Verfahren entsprechende Anwendung:
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Verfahren wegen Untätigkeit der Behörde (Untätigkeitsklagen) |
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Verfahren auf Feststellung der Nichtigkeit oder Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes (Nichtigkeitsklagen) |
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Verfahren nach § 80 Abs. 5 und 6 VwGO/§ 69 Abs. 3 FGO. |
Rz. 9
Zwar trifft es zu, dass Gegenstand dieser Verfahren nicht ein Verwaltungsakt der Behörde, sondern eine gerichtliche Maßnahme (Aussetzung der Vollziehung/Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung) ist. Dies ist allerdings allein durch die gesetzlichen Besonderheiten bedingt: Die Behörde muss in diesen Fällen grundsätzlich vorher die Aussetzung der Vollziehung abgelehnt haben. Hiergegen könnte wiederum geklagt werden, doch schließt dies § 69 Abs. 7 FGO ausdrücklich aus. Ebenso ist anerkannt, dass § 80 Abs. 5 VwGO lex specialis gegenüber einem Rechtsbehelf gegen die Ablehnung der Aussetzung ist. Da VV 1002 vom Sinn und Zweck der Regelung her auf diese Verfahren ansonsten gleichermaßen zutrifft, ist es nicht gerechtfertigt, eine entsprechende Tätigkeit des Anwalts nur an diesen verfahrensrechtlichen Besonderheiten scheitern zu lassen.
Rz. 10
Keine Anwendung findet VV 1002 hingegen bei:
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reinen Leistungsklagen (Klagen, mit denen eine Leistung verlangt wird, ohne dass damit zugleich ein Verwaltungsakt angegriffen oder erlassen werden soll, z.B. Rückzahlung zu viel gezahlter Steuern gemäß Steuerbescheid, Zahlung von Beamtengehältern); |
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Feststellungsklagen, die nicht die Unwirksamkeit oder Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes zum Gegenstand haben (§ 43 VwGO; § 55 SGG; § 41 FGO); |
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Normenkontrollverfahren (§ 47 VwGO). |
Rz. 11
2. Zu den Verfahren vor einer Verwaltungsbehörde gehören insbesondere:
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Angelegenheiten der inneren Verwaltung |
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Tätigkeiten vor Rechtsausschüssen und Widerspruchsbehörden. |
Da der Verwaltungsakt bereits erlassen und mit einem Rechtsbehelf angefochten bzw. der Erlass eines Verwaltungsaktes abgelehnt worden sein muss, gehören insoweit nicht dazu:
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Verfahren, die dem Erlass/der Ablehnung des Verwaltungsaktes vorausgehen (z.B. § 9 VwVfG); |
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Gegenvorstellungen. |
Rz. 12
3. Der Zweig der Gerichtsbarkeit ist bei den gerichtlichen Verfahren ohne Bedeutung. Daher kommen insbesondere in Betracht:
Nicht hierzu gehören:
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Beschwerden im Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren |
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Erledigung der Hauptsache im Zivilprozess. |
Für Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen in gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen, greift die speziellere Regelung der VV 1005. Gehören weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen, findet gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 das GKG Anwendung und damit VV 1002 (§ 197a SGG, vgl. auch VV 1005–1006 Rdn 2).