Rz. 13
Eine Erledigung i.S.d. VV 1002 liegt vor, wenn eine abschließende streitige gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache ganz oder auch nur teilweise nicht mehr notwendig ist. Eine Erledigung ist daher auch noch im Rechtsmittelverfahren möglich. Hat das Gericht allerdings rechtskräftig zur Hauptsache entschieden, kommt eine Erledigung i.S.v. VV 1002 nicht in Betracht. Ein gegenseitiges Nachgeben ist ebenso wenig erforderlich wie eine übereinstimmende Erledigungserklärung.
Rz. 14
Keine Erledigung liegt somit vor, wenn:
▪ |
der Antragsteller trotz Abänderung des angefochtenen Verwaltungsaktes sein ursprüngliches Ziel weiterverfolgt, weil er in gleicher Weise in seinen Rechten verletzt sei; |
▪ |
der Antragsteller nunmehr die Feststellung begehrt, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist (Fortsetzungsfeststellungsklage, § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO). |
Rz. 15
Zusätzlich muss jedoch die weitere Voraussetzung gegeben sein, dass die Behörde von einem gegenüber dem Antragsteller eingenommenen ungünstigen Rechtsstandpunkt ganz oder teilweise abgerückt ist. Sie muss also einen erlassenen Verwaltungsakt teilweise, sei es auch nur geringfügig, aufgehoben oder abgeändert bzw. einen bislang vollständig verweigerten Verwaltungsakt jedenfalls in Teilbereichen erlassen haben. Die bloße Aufgabe einer Rechtsansicht ohne eine der vorgenannten Konsequenzen genügt demnach nicht. Der nunmehr verwandte Begriff "Aufhebung" bedeutet gegenüber dem in § 24 BRAGO verwendeten Wort "Zurücknahme" keine inhaltliche Änderung, sondern ist als Oberbegriff für die Rücknahme bzw. den Widerruf eines Verwaltungsaktes zu verstehen (vgl. §§ 48, 49 VwVfG).
Rz. 16
Erledigung im vorgenannten Sinn liegt daher vor:
▪ |
bei übereinstimmender Erledigung der Hauptsache, auch wenn über die Kosten weiter gestritten wird; |
▪ |
wenn die Behörde erkennt, dass der Verwaltungsakt mangels ordnungsgemäßer Zustellung nicht wirksam geworden ist und deshalb erklärt, aus diesem nicht zu vollstrecken; |
▪ |
wenn der angefochtene Bescheid aus formellen Gründen aufgehoben wird, auch wenn gleichzeitig ein inhaltsähnlicher Bescheid erlassen wird; zwar hat sich dabei nur das erste Klageverfahren erledigt, nicht aber auch das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde, dies genügt aber für die Rechtssache (vgl. Rdn 7). |
▪ |
wenn die beklagte Behörde die Erledigung bestreitet, sie aber gerichtlich festgestellt wird; |
▪ |
bei Anfechtung mehrerer Verwaltungsakte in demselben Verfahren, von denen einer zurückgenommen wird; |
▪ |
wenn der angefochtene Verwaltungsakt zur Zufriedenheit des Antragstellers abgeändert wird, die gleichzeitig erhobene Verpflichtungsklage jedoch weiterverfolgt wird. |
Rz. 17
Keine Erledigung im vorgenannten Sinn ist eingetreten, wenn sich die Rechtssache zwar erledigt hat, dies jedoch auf einem anderen Grund als der Rücknahme oder Abänderung des für den Antragsteller ungünstigen Standpunktes der am Verfahren beteiligten Behörde erfolgt.
Beispiele:
▪ |
Erlass der angeforderten Gebühren für die Musikschule allein aufgrund enger finanzieller Verhältnisse sowie Ersatz durch Nachrückschüler. |
▪ |
Eine dritte Behörde erteilt den beantragten Bescheid. |
▪ |
Änderung der Rechtslage, durch die der Kläger anspruchsberechtigt wird. |
▪ |
Der Antragsteller erfüllt die von der Behörde verlangten Voraussetzungen. |
▪ |
Rücknahme eines Rechtsmittels der Behörde bei einem für sie ungünstigen Urteil. |
▪ |
Der Antragsteller nimmt im Laufe des Verfahrens den angefochtenen Verwaltungsakt hin, indem er die Klage oder den Rechtsbehelf zurücknimmt. Hier fehlt es an einer Handlung der Behörde. |
▪ |
Etwas anderes muss jedoch im Hinblick auf den Grund der Norm – Ersparen einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache durch besondere Mühewaltung des Anwalts – gelten, wenn die Rücknahme der Klage oder des Rechtsbehelfs nur der formellen Beendigung dient, weil sich das Verfahren sachlich bereits ganz oder teilweise erledigt hat bzw. auf einer zuvor getroffenen Absprache beruht, dass die Behörde für diesen Fall dem Antragsteller entgegenkommt, also z.B. die Kosten des Verfahrens übernimmt oder auf Kostenerstattung verzichtet. |
Rz. 18
Die gelegentlich anzutreffende Formulierung, eine Angelegenheit sei auch dann erledigt, wenn sich der Antragsteller mit einem Weniger, als er begehrt hat, zufriedengibt, ist hingegen nicht genau genug.
Beispiel: Gegenstand des Verfahrens war allein die Baugenehmigung für ein vierstöckiges Haus, weil sich der Antragsteller mit der in Aussicht gestellten Genehmigung für ein dreistöckiges Gebäude nicht begnügen wollte.
Hier liegt eine Zurücknahme oder Änderung i.S.d. VV 1002 nicht vor, wenn der Antragsteller es sich im Laufe des Verfahrens anders überlegt und daraufhin die Genehmigung für das dreistöckige Gebäude erteilt wird. Denn die Behörde ist nicht von ihrem Rechtsstandpunkt abgerückt.
Rz. 19
Entsprechendes gilt, wenn ein Asyl Begehrender den Asylantrag oder die Klage auf Asylbewilligung zurücknimmt und sich mit einer Bleiberechts...