Schneider/Volpert, AnwaltKommentar RVG, RVG VV 2303 / 6. Gebühren des nachfolgenden Rechtsstreits

Rz. 28

Im nachfolgenden Rechtsstreit entstehen die Gebühren der VV 3100 ff. Abgesehen von der Anrechnung nach VV Vorb. 3 Abs. 4 hat das Verfahren keinen Einfluss auf die Gebühren des nachfolgenden Verfahrens vor dem Gericht.

Rz. 29

Fraglich ist, ob für die Streitwertfestsetzung nach § 40 GKG auf den Zeitpunkt der Klageerhebung oder den des Schlichtungsantrags abzustellen ist. Zutreffend dürfte es sein, auf die Klageerhebung abzustellen, da es sich bei dem Schlichtungsverfahren um eine außergerichtliche Tätigkeit handelt und hierfür § 40 GKG nicht gilt. Wesentliche Bedeutung dürfte dieser Frage jedoch nicht zukommen.

Rz. 30

Gelegentlich könnte es vorkommen, dass ein Anwalt (insbesondere ein auswärtiger Anwalt aus einem anderen Bundesland) in Unkenntnis des jeweiligen Landesrechts die Klage einreicht, ohne ein obligatorisches Schlichtungsverfahren nach Nr. 1 betrieben zu haben. Da nach Klageerhebung die Nachholung des Schlichtungsverfahrens nicht möglich ist,^[34] bleibt in diesem Fall nichts anderes übrig, als die Klage zurückzunehmen und nach Scheitern des Schlichtungsverfahrens erneut einzureichen. Es handelt sich dann bei Erst- und Zweitklage um zwei verschiedene Angelegenheiten, so dass die Gebühren ein zweites Mal entstehen.^[35] Es findet auch keine Anrechnung der Verfahrensgebühr (VV 3100) auf das nachfolgende Schlichtungsverfahren statt.

Beispiel: Der Anwalt reicht eine Klage über 400 EUR vor dem AG ein. Auf gerichtlichen Hinweis nimmt er die Klage zurück und leitet dann ein Schlichtungsverfahren ein. Nach dessen Scheitern wird erneut Klage erhoben und hierüber verhandelt. Die Vergütung berechnet sich wie folgt:

I. Erstes Gerichtsverfahren (Wert: 400 EUR)

1.	1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100		63,70 EUR
2.	Postentgeltpauschale, VV 7002 (20 % aus 58,50 EUR)		12,74 EUR
	Zwischensumme	76,44 EUR
3.	19 % Umsatzsteuer, VV 7008		14,52 EUR
Gesamt			90,96 EUR

II. Schlichtungsverfahren (Wert: 400 EUR)

1.	1,5-Geschäftsgebühr, VV 2303 Nr. 1		73,50 EUR
2.	Postentgeltpauschale, VV 7002 (20 % aus 67,50 EUR)		14,70 EUR
	Zwischensumme	88,20 EUR
3.	19 % Umsatzsteuer, VV 7008		16,76 EUR
Gesamt			104,96 EUR

III. Zweites Gerichtsverfahren (Wert: 400 EUR)

1.	1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100		63,70 EUR
2.	gem. VV Vorb. 3 Abs. 4 anzurechnen, 0,75 aus 400 EUR		– 36,75 EUR
3.	1,2-Terminsgebühr, VV 3104		58,50 EUR
4.	Postentgeltpauschale, VV 7002		20,00 EUR
	Zwischensumme	105,45 EUR
5.	19 % Umsatzsteuer, VV 7008		20,04 EUR
Gesamt			125,49 EUR

Rz. 31

Der Anwalt, der die Klage ohne vorheriges Schlichtungsverfahren eingereicht hat, wird sich in diesem Fall allerdings seinem Mandanten gegenüber schadensersatzpflichtig gemacht haben und keine Kosten für das erste Klageverfahren liquidieren können. Darüber hinaus wird er den Mandanten von der Kostenerstattung an die Gegenseite (§ 269 Abs. 3 ZPO) und den Gerichtskosten freistellen müssen.

[34] BGH 23.11.2004 – VI ZR 336/03, NJW 2005, 437 m. Anm. Rimmelspacher.

[35] OLG Hamm JurBüro 1978, 1655.