Rz. 33

Sofern ein Rechtsanwalt nur hinsichtlich eines Teils der Klageforderung Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils stellt und beispielsweise die Klage im Übrigen nach Erörterung mit dem Gericht zurücknimmt, ist dies bei der Gebührenberechnung zu berücksichtigen. Nach einer Ansicht[41] verdient der Anwalt in diesen Fällen eine 1,2-Terminsgebühr aus dem vollen Gegenstandswert. Im Rahmen der Abgrenzung von VV 3104 und VV 3105 sei nicht die Höhe des mit dem Gericht erörterten Gegenstands, sondern der Umstand maßgeblich, dass die Tätigkeit des Anwalts über die Beantragung eines Versäumnisurteils hinausgehe.

 

Rz. 34

Diese Ansicht überzeugt jedoch nicht. Bei Erörterung nur hinsichtlich eines Teils der Klage fällt die 1,2-Terminsgebühr nur aus dem erörterten Teil an.[42] Nach dem Wortlaut der Vorschrift könnte zwar der Eindruck entstehen, als solle eine volle 1,2-Terminsgebühr gemäß VV 3104 aus dem gesamten Hauptsachestreitwert entstehen, da streng genommen die Voraussetzungen, die zur Kürzung der Terminsgebühr nach VV 3105 führen, nicht gegeben sind. Schließlich wird ja teilweise zum Streitgegenstand verhandelt, so dass hinsichtlich dieses Teils mehr getan wurde, als nur ein Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils gestellt. Allerdings ist aus dem Gesetzgebungsverfahren nicht ersichtlich, dass eine Änderung zur früheren Rechtslage beabsichtigt war. Es handelt sich also nur um eine Ungenauigkeit des Gesetzgebers.

 

Rz. 35

Darüber hinaus ist Folgendes zu bedenken: Die differenzierte Berechnung verschiedener Gebührensätze für Teile des Gegenstandes ist im RVG keine Seltenheit. Soweit im Einzelfall ein streitwertneutraler Zinsbetrag gesondert anzusetzen ist, ist dies ebenfalls kein Argument gegen eine differenzierte Berechnung. Denn der Streitwertneutralität dieser Forderung wird dadurch Rechnung getragen, dass die Vergütung gemäß § 15 Abs. 3 eine 1,2-Gebühr aus der Hauptforderung nicht übersteigen darf. Der von Schons[43] angestellte Vergleich mit dem Fall einer Flucht des Gegners in die Säumnis trifft die vorliegende Fallkonstellation ebenfalls nicht. Denn im hier diskutierten Problemfeld des Teilversäumnisurteils geht es gerade um die Fälle, in denen der Gegner bzw. sein Anwalt im Termin nicht anwesend sind. Der Fall eines anwesenden Gegners, der sich nur (ganz oder teilweise) weigert zu verhandeln (§ 333 ZPO), ist gerade nicht gemeint. Dann wäre schon aufgrund der fehlenden gebührenrechtlichen Säumnis der Anwendungsbereich von VV 3105 verlassen.

 

Rz. 36

In einem derartigen Fall erhält daher der Rechtsanwalt, der den Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils gestellt hat, nach dem Streitwert des beantragten Versäumnisurteils eine 0,5-Terminsgebühr gemäß VV 3105. Die sonstigen Voraussetzungen nach VV 3105 sind dabei zu beachten. Nach dem restlichen Streitwert erhält er eine 1,2-Terminsgebühr unter den Voraussetzungen des VV 3104. Die Summe dieser beiden Gebühren darf gemäß § 15 Abs. 3 jedoch nicht höher sein als eine volle 1,2-Terminsgebühr nach dem Gesamtstreitwert.

 

Beispiel 1: Eingeklagt werden 15.000 EUR. Der Rechtsanwalt des Beklagten erscheint im Termin nicht. Das Gericht weist den Klägeranwalt darauf hin, dass die Klage nur in Höhe von 10.000 EUR Aussicht auf Erfolg hat, weil die darüber hinausgehenden Schadenspositionen nicht ersatzfähig sind. Der Rechtsanwalt des Klägers nimmt daraufhin die Klage in Höhe von 5.000 EUR zurück und stellt hinsichtlich des Restbetrages von 10.000 EUR Antrag auf Erlass eines Teilversäumnisurteils, das auch ergeht. Er erhält folgende Gebühren:

Streitwert: 15.000 EUR

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 933,40 EUR

Streitwert: 5.000 EUR

 
2. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104 400,80 EUR

Streitwert: 10.000 EUR

 
3. 0,5-Terminssgebühr, VV 3105 307,00 EUR

Probe gemäß § 15 Abs. 3: Die Summe aus 2. und 3. darf nicht höher sein als eine 1,2-Terminsgebühr gemäß VV 3104 nach dem Gesamtstreitwert. Hier beträgt diese Summe 707,80 EUR. Eine 1,2-Terminsgebühr nach dem Gesamtstreitwert von 15.000 EUR beträgt 861,60 EUR, ist also höher als die Summe aus 2. und 3. Die o.g. Berechnung ist also nicht zu kürzen.

 
4. Auslagenpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.661,20 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   315,63 EUR
Gesamt   1.976,83 EUR
 

Beispiel 2 (umgekehrter Fall): Eingeklagt sind wiederum 15.000 EUR. Das Versäumnisurteil ergeht über 5.000 EUR, erörtert wird die Schlüssigkeit der Klage hinsichtlich eines Teilbetrages von 10.000 EUR, welcher dann zurückgenommen wird. Folgende Gebühren erhält der das Versäumnisurteil beantragende Rechtsanwalt:

Streitwert: 15.000 EUR

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 933,40 EUR

Streitwert: 10.000 EUR

 
2. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104 736,80 EUR  

Streitwert: 5.000 EUR

 
3. 0,5-Terminsgebühr, VV 3105 167,00 EUR  

Probe gemäß § 15 Abs. 3: Die Summe aus 2. und 3. darf nicht höher sein als eine 1,2-Terminsgebühr gemäß VV 3104 nach dem Gesamtstreitwert. Hier beträgt diese Summe 903,80 EUR. Eine 1,2-Terminsgebühr nach dem Gesamtstreitwert von 15.000 EUR beträgt 861,60 EUR, ist also nie...

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