Rz. 64
War die Berufung bereits begründet worden, bevor sie zurückgenommen wurde, ist wiederum zu differenzieren. Es kommt darauf an, welche Tätigkeit der Anwalt des Berufungsbeklagten entfaltet hat.
Rz. 65
Hatte der Anwalt des Berufungsbeklagten noch keinen Zurückweisungsantrag gestellt, ist nur die Gebühr nach VV 3200, 3201 Anm. Abs. 1 Nr. 1 entstanden und somit auch nur diese Gebühr erstattungsfähig.
Rz. 66
Hatte der Anwalt des Berufungsbeklagten bereits einen Zurückweisungsantrag gestellt, so wurde anfangs von der überwiegenden Rechtsprechung auf den Zeitpunkt des Zurückweisungsantrags abgestellt. Diese Rechtsprechung ist seit der Klarstellung des BGH nicht mehr haltbar. Im Einzelnen gilt Folgendes:
Rz. 67
(1) Wurde der Zurückweisungsantrag gestellt, nachdem die Berufungsbegründung eingereicht war, dann ist die 1,6-Verfahrensgebühr nach VV 3200 grundsätzlich erstattungsfähig, und zwar auch dann, wenn der Berufungsbeklagte sich mit der Berufungsbegründung inhaltlich nicht auseinandersetzt. Der bloße Zurückweisungsantrag genügt.
Das gilt auch dann, wenn unbedingt Berufung eingelegt und begründet worden ist, der Berufungsführer aber gebeten hatte, vorab über den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zu entscheiden, und das Gericht den Berufungsbeklagten, zunächst nur aufgefordert hatte, zum Prozesskostenhilfeantrag Stellung zu nehmen.
Rz. 68
(2) War der Antrag auf Zurückweisung der Berufung dagegen schon vor Einreichung der Begründung gestellt und später nicht wiederholt worden, so war nach der Entscheidung des BGH vom 3.7.2007 nur eine 1,1-Verfahrensgebühr gemäß VV 3200, 3201 Anm. Abs. 1 Nr. 1 erstattungsfähig. Begründet wurde dies damit, dass zum Zeitpunkt des Zurückweisungsantrags dieser noch nicht notwendig gewesen war und folglich eine Erstattungspflicht nur i.H.v. 1,1 ausgelöst habe. Da es nach Berufungsbegründung an einem (erneuten) Zurückweisungsantrag fehle, sei also keine erstattungsfähige 1,6-Verfahrensgebühr ausgelöst worden. Abzustellen sei für die Frage der Notwendigkeit auf den Zeitpunkt der Antragstellung. Ebenso hatten auch das OLG München und das OLG Bremen entschieden.
Nach a.A. war dagegen in diesem Falle schon immer die volle 1,6-Verfahrensgebühr erstattungsfähig. Dieser Auffassung hat sich der BGH in seiner Entscheidung vom 1.4.2009 angeschlossen und ist inzwischen absolut herrschende Meinung. Wenn ein Anwalt bereits unmittelbar nach Einlegung des Rechtsmittels die Zurückweisung beantragt, also schon vorsorglich für den Fall, dass das Rechtsmittel begründet wird, so ist nicht einzusehen, wieso in diesem Fall die volle Gebühr nicht erstattungsfähig sein soll. Dass eine volle Gebühr angefallen ist, wird auch von der Gegenauffassung nicht bestritten. Ob der Antrag notwendig war oder nicht, ist nicht zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags zu beurteilen, sondern zum Zeitpunkt der Beendigung des Verfahrens. Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt war die Stellung des Zurückweisungsantrags notwendig, weil zwischenzeitlich das Rechtsmittel begründet worden war. Es mutet spitzfindig an, wenn man verlangt, dass ein bereits gestellter Zurückweisungsantrag nach Rechtsmittelbegründung nochmals wiederholt werden muss, um seine Erstattungsfähigkeit auszulösen. Dies wäre unnötige Förmelei. Dem stünde zudem auch Treu und Glauben entgegen. Der Erstattungspflichtige kann sich nicht darauf berufen, der Zurückweisungsantrag sei nicht notwendig gewesen, weil sich die Notwendigkeit jedenfalls durch sein eigenes Verhalten, nämlich die Berufungsbegründung doch herausgestellt hat.