Rz. 55
Bei dieser Konstellation kommt es zunächst einmal darauf an, welche Tätigkeiten der Anwalt des Berufungsbeklagten entfaltet hat.
Rz. 56
Die bloße Entgegennahme und Weiterleitung der Berufungsschrift und des Antrags auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ist nach Auffassung des KG noch durch die erstinstanzlichen Gebühren abgegolten; ebenso BGH: "Eine mit der Entgegennahme der Berufungsschrift verbundene Prüfung von Fragen, die gebührenrechtlich zur ersten Instanz gehören, löst die Verfahrensgebühr für die Berufungsinstanz nicht aus."“ Es besteht auch keine Vermutung dafür, dass ein Prozessbevollmächtigter nach Eingang einer nicht begründeten Berufung ohne Weiteres in eine inhaltliche Prüfung der Angelegenheit eintritt. Die Entgegennahme der Berufung führt daher nicht ohne Weiteres zu einer Verfahrensgebühr nach VV 3201.
Rz. 57
Zu beachten ist, dass für den Anwalt des Berufungsgegners auch ein Auftrag bestanden haben muss, bereits im Berufungsverfahren tätig zu werden. Dieser Auftrag ist im Kostenfestsetzungsverfahren glaubhaft zu machen. Eine vor Einreichung der Klage "für alle Instanzen" erteilte Prozessvollmacht genügt hierfür nicht.
Rz. 58
Nach zutreffender Ansicht ist es aber nicht erforderlich, dass der Anwalt des Berufungsbeklagten sich bereits zur Gerichtsakte bestellt hat. Die Verfahrensgebühr der VV 3200, 3201 Anm. Abs. 1 Nr. 1 setzt nicht voraus, dass der Anwalt gegenüber dem Gericht tätig geworden ist, indem er sich etwa bestellt hat. Ebenso wenig ist erforderlich, dass der Berufungsbeklagte seine Verteidigung im Berufungsverfahren angezeigt hat. Der Auftrag für das Berufungsverfahren genügt. Wie sich aus Vorb. 3 Abs. 2 ergibt, entsteht die Verfahrensgebühr bereits mit dem Auftrag und der Entgegennahme der Information. Der Anwalt muss nicht nach außen hin tätig geworden sein.
Rz. 59
Erforderlich ist in dieser Phase lediglich, dass der Auftrag an den Anwalt glaubhaft gemacht wird. Nach OLG Koblenz wird trotz eines bestrittenen Prozessauftrages vermutet, dass der Berufungsbeklagte seinen Anwalt beauftragt hat. In einer weiteren Entscheidung hat das OLG Koblenz Glaubhaftmachung verlangt, dass dem Anwalt für das Berufungsverfahren bereits ein Auftrag erteilt worden sei.
Rz. 60
Hat sich der Anwalt des Berufungsbeklagten bereits bestellt, aber noch keinen Sachantrag gestellt, ist die Sache eindeutig. Die in diesem Fall unstreitig angefallene Gebühr nach VV 3201 Anm. Abs. 1 Nr. 1 ist erstattungsfähig.
Rz. 61
Hatte der Anwalt des Berufungsbeklagten bereits einen Zurückweisungsantrag gestellt, dann ist bereits die volle 1,6-Verfahrensgebühr nach VV 3200 angefallen. Eine Erstattungsfähigkeit dieser 1,6-Verfahrensgebühr wird allerdings abgelehnt, weil in dieser Phase der Zurückweisungsantrag noch nicht erforderlich ist. Solange der Berufungskläger seine Berufung nicht begründet und auch noch keinen Berufungsantrag gestellt hat, ist es nicht erforderlich, dass der Berufungsbeklagte seinerseits bereits schon die Zurückweisung beantragt. Erstattungsfähig ist dann nur eine 1,1-Verfahrensgebühr nach VV 3200, 3201 Anm. Abs. 1 Nr. 1. Soweit der Anwalt mehrere Auftraggeber vertritt, ist die Erhöhung nach VV 1008 ebenfalls erstattungsfähig.
Rz. 62
Das soll auch dann gelten, wenn die Berufung – etwa wegen Fristversäumung – unzulässig ist. Auch dann soll ein Verwerfungsantrag des Berufungsbeklagten nicht zu einem Erstattungsanspruch in Höhe einer 1,6-Verfahrensgebühr führen, es sei denn, der Antrag wird gestellt, nachdem das Gericht innerhalb einer angemessenen Frist keinen Verwerfungsbeschluss erlassen hat. Das ist unzutreffend. Ist die Berufung unzulässig, dann muss der Berufungskläger nicht abwarten, ob die unzulässige Berufung noch begründet wird, denn darauf kommt es gar nicht mehr an. Der Berufungsgegner hat vielmehr ein berechtigtes Interesse daran, die bereits eingetretene Rechtskraft des angefochtenen Urteils so schnell wie möglich festgestellt zu erhalten.