Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
Rz. 538
Die Frage, ob die Einigungsgebühr nach VV 1000, die mit der Beseitigung eines Streits oder einer Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis entsteht, unter die erstattungsfähigen Kosten fällt, die in der oder zur Abwendung der Zwangsvollstreckung entstehen, wird kontrovers beantwortet. Die Lösung der Frage muss in mehreren Schritten erfolgen.
a) Gehört die Einigungsgebühr zu den Vollstreckungskosten?
aa) Vermeidung der Zwangsvollstreckung
Rz. 539
Zunächst stellt sich die Frage, ob eine solche Einigung zu den "Kosten der Zwangsvollstreckung" gehört, wie dies der Wortlaut des § 788 Abs. 1 S. 1 ZPO erfordert. Da die Einigung gerade keine Maßnahme der Zwangsvollstreckung darstellt, sie diese auch nicht vorbereitet i.S.d. § 788 Abs. 1 S. 2 ZPO, sondern umgekehrt (weitere) Maßnahmen der Zwangsvollstreckung verhindern oder vermeiden soll, wird die Erstattungsmöglichkeit von vielen abgelehnt.
Rz. 540
Die zutreffende Gegenansicht vertritt den Standpunkt, der Begriff der Kosten der Zwangsvollstreckung sei weit auszulegen, sodass auch Kosten zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung darunter fielen. Dem ist aus Gründen der Sachnähe sowie der Prozesswirtschaftlichkeit (siehe Rdn 539 ff.) zuzustimmen.
Rz. 541
Dies zeigt auch eine Parallele zur Zahlungsaufforderung mit Zwangsvollstreckungsandrohung, mit der ebenfalls eine Zwangsvollstreckung vermieden werden soll. Diese wird, jedenfalls wenn die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung erfüllt sind, als eine die Gebühr nach VV 3309 auslösende Tätigkeit in der Zwangsvollstreckung angesehen, die – wenn notwendig – auch zu erstatten ist. Diese Zahlungsaufforderung ist aber – wie die Einigung – weder Zwangsvollstreckungsmaßnahme im eigentlichen Sinn noch dient sie unmittelbar der Vorbereitung der Zwangsvollstreckung, weil sie keine Voraussetzung der Zwangsvollstreckung darstellt. Der Gläubiger hätte unter denselben Voraussetzungen auch sofort einen Vollstreckungsauftrag erteilen können.
bb) Prozessökonomie
Rz. 542
Noch ein weiterer Grund spricht für die hier vertretene Auffassung. Der Anwalt erhält als Ausgleich für seine besonderen Bemühungen und als Belohnung dafür, dass die Inanspruchnahme staatlicher Vollstreckungsorgane vermieden wird (zur Frage der Anhängigkeit eines gerichtlichen Verfahrens i.S.v. VV 1003 vgl. Rdn 520 ff.), eine 1,5-Einigungsgebühr (VV 1000). Es wäre widersprüchlich, den Anwalt dann aber zur Geltendmachung dieser vom Schuldner übernommenen Gebühr auf die Inanspruchnahme des Gerichtes zu verweisen, wenn der Schuldner die Einigungsgebühr nicht freiwillig zahlt.
Rz. 543
Kosten der Vermeidung der Vollstreckung sind bereits aus prozessökonomischen Gründen als Zwangsvollstreckungskosten i.S.v. § 788 Abs. 1 ZPO anzusehen. Denn ansonsten müsste die Einigungsgebühr eingeklagt werden. Zudem beruht § 788 Abs. 1 ZPO auf dem Veranlassungsprinzip. Die Kosten der Einigung hat der Schuldner jedenfalls dann veranlasst, wenn Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn ergriffen worden sind.
cc) Zeitpunkt der Einigung
Rz. 544
Der für § 788 ZPO notwendige Bezug zur Zwangsvollstreckung liegt nicht erst vor, wenn nach Erlass des vorläufig vollstreckbaren Urteils zwischen den Parteien eine Stundungsvereinbarung getroffen wird. Andererseits geht die Forderung, es müssten im Zeitpunkt des Vertragsschlusses alle Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen vorliegen, zu weit. Denn § 788 ZPO erfasst auch Vorbereitungskosten (vgl. Rdn 96 ff.). Es muss daher ausreichen, wenn nach einer Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung sich die Parteien zur Vermeidung einer Zwangsvollstreckung entsprechend einigen. Im Hinblick auf die restriktive Rechtsprechung sollte dies in den Text des Vertrages ausdrücklich mit aufgenommen werden.
b) Notwendigkeit
Rz. 545
Erkennt man grundsätzlich die Einigungsgebühr als Kosten der Zwangsvoll...