Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
Rz. 548
Entgegen einer in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung ist die Einschaltung eines Anwalts im Rahmen des Vergleichsschlusses grundsätzlich auch notwendig. Die Regelung des § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO, wonach die Kosten eines Anwalts grundsätzlich zu erstatten sind, findet in Verfahren vor dem Vollstreckungsgericht unmittelbare, ansonsten entsprechende Anwendung durch die Bezugnahme in § 788 Abs. 1 ZPO (siehe Rdn 575 ff.).
Rz. 549
Keine Ausnahmen sind dabei generell für bestimmte Gläubiger wie z.B. Großunternehmen oder Banken zu machen, weil nach dem anwendbaren § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO die gesetzlichen Gebühren und Auslagen eines Anwalts in allen Prozessen ohne Notwendigkeitsprüfung erstattet werden. Gerade der Abschluss des in der Praxis am häufigsten anzutreffenden Teilzahlungsvergleichs mit Verzicht des Gläubigers auf Teile seiner Forderung setzt voraus, dass man die auf den konkreten Fall bezogenen Möglichkeiten verschiedener Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sowie deren voraussichtlichen Erfolg richtig einschätzen kann. Nur dann kann man abwägen, ob ein solcher Vergleich wirtschaftlich gesehen besser ist als die Durchführung der Zwangsvollstreckung. Dies setzt wiederum profunde Kenntnisse der Zwangsvollstreckung in theoretischer und praktischer Hinsicht voraus, denn mit einer schlichten Antragstellung bei einem Vollstreckungsorgan ist es meist nicht getan, zumal die Überlegung vorangehen sollte, welches der Vollstreckungsorgane im Hinblick auf eine Kosten-Nutzen-Analyse beauftragt werden kann und sollte. Derartige Kenntnisse können in der Regel weder bei einer Bank ohne eigene Beitreibungsabteilung noch bei sonstigen "normalen" Gläubigern vorausgesetzt werden.
Rz. 550
Aus denselben Gründen kann auch nicht der Auffassung zugestimmt werden, Anwaltskosten bei einem Einigungsvertrag im Rahmen der Zwangsvollstreckung kämen grundsätzlich nur ausnahmsweise in Betracht. Ausnahmen mögen in ganz einfach gelagerten Fällen in Betracht kommen, weil maßgebend immer nur die konkreten Umstände des Einzelfalles sein können.
Rz. 551
Markantes Beispiel dafür ist der Fall, dass die Parteien nach Erlass des Urteils und nachdem bereits Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durchgeführt worden sind, in zweiter Instanz einen das erstinstanzliche Urteil abändernden Vergleich geschlossen haben, in dem sie nur hinsichtlich der "Kosten des Rechtsstreits" eine Regelung treffen. Bei einer solchen Formulierung wird von dem wohl überwiegenden Teil der Rechtsprechung und Literatur die Auffassung vertreten, dass davon die mit der Durchführung der bereits erfolgten Zwangsvollstreckung verbundenen Kosten nicht erfasst werden.
Rz. 552
Sollen solche Kosten komplett einbezogen werden, muss ausdrücklich eine entsprechende Regelung getroffen werden; ansonsten können die Kosten der bisherigen Zwangsvollstreckung nur in der Höhe verlangt werden, in der sie angefallen wären, wenn die Vollstreckung von vornherein auf den Vergleichsbetrag beschränkt gewesen wäre. Handelt es sich dabei um einen Vergleich mit Mehrwert, weil in ihm auch weitere, nicht streitgegenständliche Ansprüche geregelt werden, setzt die Festsetzung der Kosten der Zwangsvollstreckung allerdings voraus, dass sich feststellen lässt, in welchem Umfang der abgeänderte Titel in der Sache Bestand hat.