Ist der gesetzliche Vertreter eines Minderjährigen an dessen Vertretung verhindert, ist nach § 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB für die Wahrnehmung der in Betracht kommenden Angelegenheit ein Ergänzungspfleger zu bestellen, soweit hierfür ein Bedürfnis besteht. Unter den Begriff der Verhinderung fallen nach allgemeiner Auffassung tatsächliche als auch rechtliche Verhinderungen. Die in der erbrechtlichen Praxis häufigsten Fälle einer solchen Verhinderung sind das Vorliegen eines Vertretungsausschlusses nach (§ 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB i. V. m.) §§ 1795, 1796 BGB und § 181 BGB. Ist bei einem Elternteil ein Ausschlussgrund gegeben, so ist die gesetzliche Vertretung des Kindes durch den anderen Elternteil auf Grund des Gesamtvertretungsprinzips gem. § 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB grundsätzlich ebenfalls ausgeschlossen.
Die Vorschrift des § 181 BGB findet keine Anwendung, wenn das Rechtsgeschäft dem Kind lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt. Rechtlich vorteilhaft in diesem Sinne bedeutet, dass das Geschäft für den Minderjährigen keinerlei Rechtsnachteil bringen darf. Auf eine wirtschaftliche Betrachtung kommt es dagegen nicht an.
Im Zusammenhang mit den Vertretungsverboten nach §§ 181, 1795 BGB hat sich in Rechtsprechung und Literatur inzwischen folgende Leitlinie herausgebildet: Nicht ausreichend für den Ausschluss der Vertretungsmacht der Eltern ist, dass diese neben ihren Kindern an einem Vertragsschluss beteiligt sind und lediglich parallele Erklärungen abgeben; das heißt, wenn die Beteiligten auf derselben Seite des Rechtsgeschäfts auftreten.
Anders zu beurteilen ist dies bei zusammengesetzten Rechtsgeschäften, bei denen der gesetzliche Vertreter nur in Einzelpunkten zugleich Erklärender und Erklärungsempfänger ist. In einem solchen Fall unterliegt der Vertreter dem Vertretungsverbot in allen behandelten Teilen, wenn diese nach dem Willen der Beteiligten einheitlich miteinander stehen und fallen sollen. Dies gilt insbesondere bei der Erbauseinandersetzung und der Erbteilsübertragung.
Beispiel
Im Rahmen der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft, bestehend aus drei minderjährigen Kindern und einem Elternteil, soll ein Nachlassgrundstück im Wege eines Kaufvertrages an einen Dritten übertragen werden.
Da es sich dabei um eine Verfügung über Grundbesitz handelt, ist zwar eine familiengerichtliche Genehmigung des Vertrags erforderlich. Die Bestellung eines Ergänzungspflegers zur Vertretung der minderjährigen Kinder bei Vertragsabschluss ist jedoch nicht nötig. Denn Kinder und Elternteil stehen bei Vertragsabschluss nicht auf unterschiedlichen Seiten.
Die Bestellung eines Ergänzungspflegers ist auch dann entbehrlich, wenn sich die Auseinandersetzung streng nach den gesetzlichen Regelungen richtet. Im Unterschied dazu ist ein Ergänzungspfleger stets dann notwendig, wenn Eltern und Kinder abweichend von den gesetzlichen Teilungsregelungen wechselbezügliche Verpflichtungen eingehen. In einem solchen Fall ist für jeden Minderjährigen ein gesonderter Ergänzungspfleger zu bestellen.
Praxishinweis:
Stellen die Beteiligten – wie so häufig – erst beim Notar fest, dass die Bestellung eines Ergänzungspflegers notwendig ist, kann der Vertrag trotzdem protokolliert werden. Hierzu muss einer der Vertragsbeteiligten als Vertreter ohne Vertretungsmacht für den Minderjährigen auftreten.
Sind in dem Vertrag Verfügungen über Grundbesitz enthalten, wird der Vertrag nicht schon mit der Genehmigung durch den Ergänzungspfleger wirksam. Zu beachten ist des Weiteren, dass die Genehmigung des Ergänzungspflegers ihrerseits der familiengerichtlichen Genehmigung bedarf (siehe unten).
Muster:
Antrag auf Bestellung eines Ergänzungspflegers
An das
Amtsgericht …
…
In der Nachlasssache betreffend die Erbengemeinschaft …, bestehend aus folgenden Miterben:
…
…
…
stelle ich hiermit namens und in Vollmacht der Eltern des minderjährigen Miterben … den Antrag,
für diesen einen Ergänzungspfleger zu bestellen, der den minderjährigen Miterben bei Abschluss des als Anlage 1 beigefügten Vertragsentwurfs vertreten soll.
Mich legitimierende Vollmacht ist als Anlage 2 beigefügt.
gez.
Rechtsanwalt