Prof. Dr. Stephan Wolf, Andrea Dorjee-Good
Rz. 67
Befindet sich Nachlassvermögen eines Schweizer Erblassers (mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz) in Deutschland, so sind die deutschen Gerichte gestützt auf Art. 10 Abs. 1 EuErbVO grundsätzlich für den gesamten, weltweiten Nachlass zuständig, einschließlich das Nachlassvermögen in der Schweiz, sofern der Erblasser entweder neben der Schweizer auch die deutsche Staatsbürgerschaft besaß (lit. a) oder wenn er seinen vorhergehenden gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte, sofern die Änderung dieses gewöhnlichen Aufenthalts zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts nicht länger als fünf Jahre zurückliegt (lit. b). Ist dies nicht der Fall, sind die deutschen Gerichte einzig für den in Deutschland belegenen Nachlass zuständig (Art. 10 Abs. 2 EuErbVO).
Rz. 68
Daraus kann wiederum ein positiver Kompetenzkonflikt resultieren, zumal sich unter den Voraussetzungen von Art. 10 Abs. 1 EuErbVO sowohl die deutschen als auch die Schweizer Behörden für die Behandlung des gesamten Nachlasses zuständig erachten. Eine Verfahrensbeschränkung gem. Art. 12 EuErbVO wäre denkbar.
Rz. 69
Gestützt auf Art. 21 Abs. 1 EuErbVO ist auf den Nachlass mangels Rechtswahl grundsätzlich Schweizer Erbrecht anwendbar. Ein deutsch-schweizer Doppelbürger kann aus deutscher Perspektive – wie auch aus schweizer Perspektive nach revidiertem IRPG – eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Heimatrechts treffen.
Rz. 70
Wenn es um die Übertragung von in Deutschland belegenen Nachlassvermögenswerten geht, müssen grundsätzlich entweder ein deutscher Erbschein oder eine beglaubigte Abschrift einer notariell beurkundeten Verfügung von Todes wegen sowie eine beglaubigte Abschrift des deutschen Eröffnungsprotokolls vorgelegt werden. Der schweizerische Erbenschein wird in Deutschland grundsätzlich nicht anerkannt, weil er nur provisorischen Charakter hat.