Leitsatz
Ein Seniorchef wird nicht versicherungs- und damit beitragspflichtig, wenn er nach Betriebsübergabe mit einem Vertrag als "Freier Mitarbeiter" für seine bisherige Firma weiter tätig ist, sofern er nicht weisungsgebunden und vom Gesamtbild seiner Tätigkeit nicht fest in die Organisation eingebunden ist.
Sachverhalt
Ein Firmeninhaber der sein Bauunternehmen an seinen Sohn übergab, schloss mit diesem gleichzeitig einen Vertrag über freie Mitarbeit. Danach übernahm der Seniorchef künftig Kalkulationsarbeiten, Kundenbetreuung und -beratung und Teile der Auftragsbearbeitung. Er erhielt dafür eine Vergütung von 2 000 DM monatlich zuzüglich Umsatzsteuer. Nach dem Vertrag konnte das Unternehmen dem Altinhaber Aufgaben zuweisen, seine Arbeitszeit teilte er aber nach eigenem Ermessen ein und war an Arbeitszeiten nicht gebunden. Er hatte weiterhin Weisungsbefugnis gegenüber den Arbeiternehmern des Betriebs.
Bei einer Betriebsprüfung stellte die Prüfbehörde fest, der Seniorchef sei in den Jahren nach der Übergabe versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Sie forderte 28 710,94 DM für Sozialversicherungsbeiträge nach. Die Baufirma wehrte sich. Dem Merkmal der Weisungsgebundenheit komme entscheidende Bedeutung zu. Der Altinhaber habe nicht nach Weisung gearbeitet. Unter Berücksichtigung der Vater-Sohn-Beziehung sei er in seinem früheren Unternehmen nicht abhängig beschäftigt, sondern freier Mitarbeiter gewesen. Er habe seine Arbeitszeit frei eingeteilt und sei nicht in die Arbeitsorganisation eingegliedert gewesen. Kündigungsschutz, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaub habe er nicht erhalten.
Die Klage hatte Erfolg. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB VI. Nach der Rechtsprechung des BSG setzt "Beschäftigung" voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Das ist der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dem Weisungsrecht des Arbeitgebers in Hinblick auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Tätigkeit unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, die eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft sowie eine frei gestaltete Tätigkeit gekennzeichnet. Maßgeblich ist das Gesamtbild der Tätigkeit.
Der Altinhaber war nach Ansicht des Hessischen LSG kein Arbeitnehmer des Bauunternehmens, da er nicht in den Betrieb eingegliedert, sondern bei der Ausübung seiner Tätigkeit im Wesentlichen frei war. Dieses Ergebnis bestätigt auch der Zweck des Freien-Mitarbeiter-Vertrags. Mit diesem sollte der frühere Betriebsinhaber an den Betrieb gebunden werden, weil in einem kleineren Bauunternehmen der persönliche Kontakt zu den Kunden und das Vertrauen in die fachliche Kompetenz des Unternehmers eine wichtige Rolle spiele. Im Ergebnis hat die persönliche Unabhängigkeit und Freiheit in der Arbeitsgestaltung des Seniorchefs das Gesamtbild geprägt, so dass andere Gesichtspunkte wie fehlendes unternehmerisches Risiko demgegenüber zurücktreten.
Hinweis
Um Rechtsstreitigkeiten von vornherein auszuschließen, kann über die Krankenkasse eine versicherungsrechtliche Beurteilung (Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Abs. 1 SGB IV) bei der Deutschen Rentenversicherung Bund beantragt werden. Diese empfiehlt sich insbesondere bei der Beschäftigung bzw. Tätigkeit von Familienangehörigen im Betrieb.
Link zur Entscheidung
Hessisches LSG, Urteil vom 13.07.2006, L 8 KR 6/06. – Vgl. zur Abgrenzung Arbeitnehmer/Selbständiger auch den Beitrag Gruppe 19 S. 607.