Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Kosten der Unterkunft. Erteilung einer Zusicherung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren. Ermittlung der Angemessenheitsgrenze für Unterkunftskosten beim Fehlen eines schlüssigen Konzepts
Orientierungssatz
1. Auch für die Geltendmachung einer Zusicherung zur Übernahme höherer Unterkunftskosten gegenüber dem Träger der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende im Rahmen eines sozialgerichtlichen Eilverfahrens besteht im Regelfall ein Rechtsschutzbedürfnis.
2. Für die Geltendmachung der Erteilung einer Zusicherung zur Übernahme höherer Unterkunftskosten gegenüber dem Träger der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens fehlt es im Regelfall an einem Anordnungsgrund, da die Zusicherung nicht Voraussetzung für die Übernahme angemessener Unterkunftskosten ist.
3. Die Erteilung einer Zusicherung zur Übernahme der Unterkunftkosten scheidet auch deshalb im sozialrechtlichen Eilverfahren regelmäßig aus, da sich daraus eine Vorwegnahme der Hauptsache ergeben würde, die aber allenfalls dann ausnahmsweise gerechtfertigt sein kann, wenn die mit der Zusicherung angestrebten zu übernehmenden Unterkunftskosten offensichtlich angemessen sind.
4. Fehlt für eine Gemeinde ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenze von Unterkunftskosten, so kann diese Angemessenheitsgrenze aus den Tabellenwerten des Wohngeldgesetzes gebildet werden, wobei bezogen auf die Tabellenwerte ein weiterer Aufschlag von 10 Prozent vorzunehmen ist.
5. Einzelfall zur Beurteilung der Angemessenheit von Unterkunftskosten (hier: Angemessenheit der Unterkunftskosten verneint).
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der Antragsteller steht gemeinsam mit seiner Ehefrau und fünf gemeinsamen minderjährigen Kindern im laufenden Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) beim Antragsgegner. Die Familienmitglieder sind syrischer Staatsangehörigkeit und besitzen bis April 2018 befristete Aufenthaltserlaubnisse.
Nach dem Nachzug der Ehefrau und der Kinder aus Syrien mietete der Antragsteller zum April 2017 zwei Dachgeschosswohnungen mit insgesamt 90 Quadratmetern, verteilt auf fünf Zimmer (zwei Bäder, zwei Küchen) in F., T.-weg, an (einheitlicher Mietvertrag vom 01.03.2017). Die Bruttokaltmiete beträgt 830,00 EUR. Der Antragsgegner gewährte nach Durchführung einer Wohnungsbesichtigung durch den Ermittlungsdienst u. a. Leistungen für eine umfassende Wohnungserstausstattung.
Am 23.10.2017 beantragte der Antragsteller eine Zusicherung gem. § 22 Abs. 4 SGB II für die Anmietung einer neuen Wohnung. Er legte eine Kündigung wegen Eigenbedarfes vom 16.10.2017 seines bisherigen Vermieters, weiterhin ein Mietangebot für eine 150 Quadratmeter große Wohnung in der I-Straße in F., zunächst zu einem Mietpreis von 1450 EUR, sodann von 1365,00 EUR Bruttokaltmiete vor.
Mit Bescheid vom 23.10.2017 lehnte der Antragsgegner die begehrte Zusicherung ab. Unter Bezugnahme auf sein "schlüssiges Konzept" erkennt der Antragsgegner eine Bruttokaltmiete von 842,80 EUR für die Bedarfsgemeinschaft des Antragstellers als (abstrakt) kostenangemessen an. Da das Mietangebot eine deutlich höhere Monatsmiete ausweise, sei die Zusicherung zu verweigern.
Am 30.10.2017 hat der Antragsteller um sozialgerichtlichen Eilrechtsschutz nachgesucht. Aufgrund der Kündigung der bisherigen Wohnung drohe Obdachlosigkeit. Es werde um schnelle Entscheidung gebeten, da die Wohnung in der I-Straße sonst an andere Interessenten vergeben werde.
Der Antragsteller beantragt,
1. den Antragsgegner zu verpflichten, ihm, dem Antragsteller, die Berücksichtigung der Aufwendungen der Wohnung in der I-Straße in F. zuzusichern.
2. ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zwar enthalte das eigene "schlüssige Konzept" keine Werte für Sieben-Personen-Haushalte. Jedoch sei der Auszug aus der bisherigen Wohnung nicht erforderlich i. S. d. § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II. Die bisherige Wohnung sei aufgrund der Gewährung von Leistungen für eine Wohnungserstausstattung für eine siebenköpfige Bedarfsgemeinschaft geeignet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Antragsgegners verwiesen.Gründe:
II
A. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, aber unbegründet.
I. Der Antrag ist zulässig. Die Kammer erkennt auch im Falle des Begehrens einer Zusicherung nach § 22 Abs. 4 S. 2 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) ein Rechtsschutzbedürfnis (a. A. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 05. Dezember 2016 - L 15 AS 257/16 B ER -, Rn. 6, juris) SG Chemnitz, Beschluss vom 26. Juli 2012 - S 14 AS 3078/12 ER -, Rn. 11, juris; offen...