Entscheidungsstichwort (Thema)

Günstigkeitsregelung für einen Anspruch auf Erziehungsgeld

 

Orientierungssatz

Die Neufassung des § 1 Abs. 6 BErzGG vom 19. 12. 2006 ist rückwirkend am 1. 1. 2006 in Kraft getreten. Weil diese Rückwirkung die vom BVerfG angeordnete Frist für noch nicht bestandskräftige Fälle missachtet hätte, hat der Gesetzgeber in § 24 Abs. 3 BErzGG eine Günstigkeitsregelung getroffen. Danach ist § 1 Abs. 6 in der am 19. 12. 2006 geltenden Fassung für einen Bezugszeitraum zwischen 27. 6. 1993 und 18. 12. 2006 auf noch nicht bestandskräftige Fälle anzuwenden, wenn dies für die Erziehungsgeld beantragende Person günstiger ist.

 

Tenor

Der Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 27.01.2006 und des Teilhilfebescheides vom 13.07.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2008 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 16.07.2005 bis 28.02.2006 Erziehungsgeld in Höhe des Regelbetrages, insgesamt 2.250,00 EUR zu zahlen. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt der Beklagte.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Erziehungsgeld (Regelbetrag) für die Zeit vom 16.07.2005 bis 28.02.2006 in Höhe von 2.250,00 EUR.

Die 0000 geborene Klägerin ist kongolesische Staatsangehörige. Sie hält sich seit Januar 1997 ununterbrochen und erlaubt in Deutschland auf. Vom 01.01.2002 bis 21.04.2004 war sie im Besitz einer "Duldung" nach § 55 Abs. 2 des (damals geltenden) Ausländergesetzes (AuslG). Ab 22.4.2004 besaß sie eine Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 AuslG. Seit dem 21.02.2007 ist sie im Besitz einer Niederlassungserlaubnis.

Am 00.00.2005 gebar die Klägerin ihr (viertes) Kind N. Sie lebt seit der Geburt mit dem Kind in einem Haushalt und betreut und erzieht es selbst. Eine Erwerbstätigkeit übte sie im streitbefangenen Zeitraum nicht aus.

Am 16.01.2006 beantragte die Klägerin Erziehungsgeld in Höhe des Regelbetrages für das erste Lebensjahr des Kindes.

Das Versorgungsamt B. lehnte den Antrag durch Bescheid vom 27.01.2006 ab mit der Begründung, der erteilte Aufenthaltstitel begründe nach dem geltenden Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) keinen Erziehungsgeldanspruch.

Dagegen legte die Klägerin am 06.02.2006 Widerspruch ein; sie wies auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.07.2004 (1 BvR 2515/95) hin.

Der Beklagte stellte im Einverständnis mit der Klägerin die Entscheidung über den Widerspruch bis zum Erlass einer - vom BVerfG geforderten - Neuregelung zurück.

Am 01.04.2006 nahm die Klägerin eine erlaubte Tätigkeit als Reinigungskraft auf.

Am 19.06.2006 beantragte die Klägerin Erziehungsgeld (Regelbetrag) für das zweite Lebensjahr des Kindes.

Nach Erlass des "Gesetz zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss" vom 13.12.2006 (BGBl. I S. 2915) bewilligte der Beklagte durch (Teil-)Abhilfebescheid vom 13.07.2007 Erziehungsgeld in Höhe des Regelbetrages für die Zeit vom 01.03. bis 23.05.2006, insgesamt 830,00 EUR, und durch weiteren Bescheid vom 13.07.2007 Erziehungsgeld in Höhe des Regelbetrags für das gesamte zweite Lebensjahr des Kindes, insgesamt 3.600,00 EUR.

Soweit dem Widerspruch nicht abgeholfen wurde, wies ihn der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 08.07.2008 zurück. Er vertrat die Auffassung, die Klägerin erfülle für den geltend gemachten Erziehungsgeldanspruch erst ab 01.03.2006 die durch die Neuregelung geschaffenen Voraussetzungen des § 1 Abs. 6 BErzGG.

Dagegen hat die Klägerin am 08.08.2008 Klage erhoben. Sie hält § 1 Abs. 6 BErzGG sowohl in der bis 31.12.2005 als auch in der seit 01.01.2006 geltenden Fassung für verfassungswidrig. Sie ist der Auffassung, dass sich ihr Erziehungsgeldanspruch im Hinblick auf § 24 Abs. 3 BErzGG in der Fassung des Gesetzes vom 13.12.2006 nach der bis 31.12.2005 geltenden Fassung des § 1 Abs. 6 BErzGG richtet. Bei verfassungskonformer Auslegung dieser Vorschrift im Sinne der Entscheidung des BVerfG vom 06.07.2004 sei ihr Erziehungsgeldanspruch begründet.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 27.01.200 und Abänderung des Bescheides vom 13.07.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2008 zu verurteilten, ihr auch für die Zeit vom 16.07.2005 bis 28.02.2006 Erziehungsgeld in Höhe des Regelbetrages, insgesamt 2.250,00 EUR zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verbleibt bei der in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Auffassung. Er meint, auch über § 24 Abs. 3 BErzGG lasse sich kein Anspruch der Klägerin herleiten. Seines Erachtens sei nach dieser Vorschrift die Neufassung des § 1 Abs. 6 BErzGG nur anwendbar, wenn sie für die erziehungsgeldbeantragende Person günstiger sei als die bei Bescheiderteilung bzw. die bis zum 26.06.1993 geltende Fassung, soweit sich der Anspruch nach der mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärten Fassung vom 23.06.1993 gerichtet hatte. Hierzu würden aber nicht die Nachfolgeregelungen des § 1 Abs. 1a Satz 1 BErzGG in der Fas...

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