Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenerstattungsanspruch des Krankenhauses als sog. Nothelfer gegenüber dem Sozialhilfeträger

 

Orientierungssatz

1. Nach § 25 S. 1 SGB 12 sind jemandem, der in einem Eilfall einem Anderen Leistungen erbracht hat, die bei rechtzeitigem Einsetzen von Sozialhilfe nicht zu erbringen gewesen wären, die Aufwendungen in gebotenem Umfang zu erstatten, wenn er sie nicht aufgrund rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zu tragen hätte.

2. Verfügt ein Hilfebedürftiger über keine anderweitige Versicherung gegen Krankheit, so besteht zu dessen Gunsten ein Sozialhilfeanspruch in Form von Hilfe bei Krankheit nach § 48 S. 1 SGB 12.

3. Der Aufwendungsersatz eines Krankenhauses richtet sich nach den für zugelassene Krankenhäuser gemäß § 108 SGB 5 geltenden Vergütungsregelungen. Damit ist abzustellen auf die Fallpauschalenvergütung für die Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 01.03.2018; Aktenzeichen B 8 SO 63/17 B)

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 19.12.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.04.2013 verurteilt, an die Klägerin 97.107,20 Euro zu zahlen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin dem Grunde nach.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt als Anstalt öffentlichen Rechts von der Beklagten die Erstattung von Aufwendungen für eine stationäre Krankenhausbehandlung.

Der am 00.00.0000 geborene polnische Staatsbürger N. (im Folgenden: Hilfebedürftiger) wurde am Samstag, den 22.10.2011, um 7:22 Uhr mit schweren Brandverletzungen und einem Inhalationstrauma von der Klägerin notfallmäßig auf der Klinik für Intensivmedizin stationär aufgenommen, obwohl zu diesem Zeitpunkt sein Krankenversicherungsschutz ungeklärt war. Wegen einer im weiteren Behandlungsverlauf erlittenen Pneumonie und Sepsis dauerte die stationäre Behandlung auf der Klinik für Intensivmedizin bis 07.11.2011 an. Am 07.11.2011 erfolgte eine Verlegung des Hilfebedürftigen auf die Klinik für plastische Chirurgie, Hand- und Verbrennungschirurgie der Klägerin, wo die stationäre Behandlung bis zur Entlassung am 10.11.2011 andauerte. Nach eigenen Angaben des Hilfebedürftigen gegenüber dem Sozialdienst der Klägerin im weiteren Verlauf der stationären Behandlung verfügte dieser über keinen festen Wohnsitz und war mittellos. Am 25.10.2011, einem Dienstag, erfolgte eine Mitteilung der Klägerin gegenüber der Beklagten verbunden mit einem Antrag auf Übernahme der Behandlungskosten, die nach Behandlungsende auf 97.107,20 Euro beziffert wurden. Nachdem Ermittlungen der Klägerin bei der polnischen gesetzlichen Krankenversicherung betreffend einen Krankenversicherungsschutz des Hilfebedürftigen ergebnislos verlaufen waren, nahm sie am 02.11.2011 einen Antrag des Hilfebedürftigen auf Sozialhilfe auf und übersandte diesen an die Beklagte. Nach Entlassung aus der stationären Behandlung hielt sich der Hilfebedürftige vorübergehend im D., einer von der Caritas B. getragenen Sozialeinrichtung, auf. Vom 07.12.2011 bis 13.12.2011 verbüßte er eine Ersatzfreiheitsstrafe in der JVA B. Von dort wurde er am 13.12.2011 in die JVA L. und am 19.12.2011 weiter in die JVA T. verlegt. Am 03.04.2011 wurde er aus der JVA T. nach Polen entlassen. Mit Bescheid vom 19.12.2011 lehnte die Beklagte eine Übernahme der Behandlungskosten ab. Zur Begründung führte sie aus, eine Mittellosigkeit des Hilfebedürftigen sei nicht nachgewiesen. Die Klägerin legte am 09.01.2012 Widerspruch ein, den die T1. mit Widerspruchsbescheid vom 08.04.2013 unter Vertiefung der bisherigen Ausführungen zurückwies. Ergänzend verwies sie auf eine schriftliche Befragung der vorübergehenden gesetzlichen Vertreterin des Hilfebedürftigen sowie schriftliche Anfragen in den JVAen B. und L. zum Einkommen und Vermögen des Hilfebedürftigen, die ergebnislos verlaufen seien.

Hiergegen richtet sich die am 30.04.2013 erhobene Klage.

Die Klägerin sieht sich in ihrem Begehren durch eine per email an sie übermittelte Auskunft des D., sowie durch eine schriftliche Auskunft der JVA T. vom 27.05.2013 bestätigt.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19.12.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.04.2013 zu verurteilen, an sie 97.107,20 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihrer bisherigen Auffassung fest.

Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhalts im Rahmen der mündlichen Verhandlung die Sozialarbeiterin I. als Zeugin vernommen, die im D. beschäftigt ist. Es hat weiter die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2011 (Fallpauschalenvereinbarung 2011 - FPV 2011) beigezogen.

Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen sowie auf den Inhalt der genannten Unterlagen verwiesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, deren wes...

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