Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuerkennung des Merkzeichens "B" für einen an Autismus leidenden behinderten Schüler einer Förderschule
Orientierungssatz
1. Anspruch auf Zuerkennung des Merkeichens B - Berechtigung für eine ständige Begleitung - hat derjenige Schwerbehinderte mit einem GdB von 50, der bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge seiner Behinderung regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen ist.
2. Liegt bei einem Schüler einer Förderschule für körperliche und motorische Entwicklung auf dem Boden einer Autismus-Spektrum-Störung eine Störung der Orientierungsfähigkeit vor, aufgrund deren er zum Ausgleich von Orientierungsstörungen bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen ist, so ist ihm das Merkzeichen B zuzuerkennen.
3. Bei der Beurteilung ist zu berücksichtigen, dass altersbedingte und krankheitsbedingte Einschränkungen sich teilweise überschneiden können.
Tenor
Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 15.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2018 verpflichtet, bei dem Kläger ab dem 20.08.2018 die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen B festzustellen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach zu ¾.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten zuletzt über die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "Berechtigung für eine ständige Begleitung" (Merkzeichen B).
Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist Schüler an einer Förderschule für körperliche und motorische Entwicklung mit dem zusätzlichen Förderbedarf im Schwerpunkt Lernen. Bei ihm besteht der Pflegegrad 3 infolge einer Autismus-Spektrum-Störung i. S. eines frühkindlichen Autismus, einer Entwicklungsverzögerung mit einem kognitiven Entwicklungsstand im Bereich der Lernbehinderung und einer dissoziierten Intelligenz.
Er beantragte durch seine gesetzlichen Vertreter am 14.08.2017 für die Zeit ab Juli 2017 die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) sowie der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen B und den Nachteilsausgleich "Hilflosigkeit" (Merkzeichen H) bei der Beklagten.
Die Beklagte zog ein schulärztliches Gutachten zur Einschulung (12/2016) sowie Arztbriefe des Sozialpädiatrischen Zentrums/Neuropädiatrie des T. Hospitals (4/2016, 7/2017), der Klinik für Kinder - und Jugendmedizin, Sektion Neuropädiatrie und Sozialpädiatrie der V. Klinik (6/2014), der Kinderarztpraxis M. (7/2017), einen Entwicklungsbericht der Lebenshilfe (4/2017) und ein Gutachten zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit für die private Pflegeversicherung (9/2017) bei.
Versorgungsärztlich wurde die Autismus-Spektrum-Störung bei Minderbegabung (Kognition im Bereich der Lernbehinderung bei inhomogenem Leistungsprofil, keine sozialen Kontakte und Fixierung auf Rituale) als Behinderung erkannt und mit einem GdB von 50 bewertet. Während die Voraussetzungen für das Merkzeichen H vorlägen, sei der Kläger nicht ständig auf Begleitung angewiesen, da keine schwere geistige Behinderung vorliege.
Mit Bescheid vom 15.11.2017 stellte die Beklagte bei dem Kläger für die Zeit ab Antragstellung einen GdB von 50 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen H fest und lehnte die Feststellung der Voraussetzungen für das Merkzeichen B ab.
Hiergegen legte der Kläger durch seinen Vater am 21.11.2017 Widerspruch ein, insbesondere gerichtet auf die Feststellung der Voraussetzungen für das Merkzeichen B. Zugleich wurde gebeten, die Behinderung des Klägers ab Geburt anzuerkennen. Der Autismus stelle eine tiefgreifende Entwicklungsstörung dar, aufgrund derer der Kläger ein hohes Maß an Anleitung, Unterstützung und vor allem Beaufsichtigung benötige. Der Kläger benötige im Alltag ständige Begleitung, sei in Kontakt und in der Kommunikation mit anderen schnell überfordert, habe eine kurze Konzentrationsspanne und Wahrnehmungsstörungen, die seine Orientierungsfähigkeit stark beeinträchtigten. Er sei nicht in der Lage, alleine Wegstrecken ohne eine Gefahr für sich oder andere zurückzulegen. Verwiesen wurde weiter auf Feststellungen des vorliegenden Pflegegutachtens.
Versorgungsärztlich wurde vermerkt, die Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens B lägen nicht vor, da keine geistige Behinderung mit einem GdB von mindestens 80 vorliege. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.01.2018 wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch daraufhin als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger, vertreten durch seinen Vater, am 23.02.2018 durch seine Bevollmächtigte Klage erhoben, die zunächst neben der Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen B auf die Feststellung eines GdB von mindestens 70 ab Geburt gerichtet gewesen ist.
Das Gericht hat einen Befundbericht der Kinderarztpraxis M. (Dr. I) mit Arztbrief der Hals - Nasen - Ohrenärzte Dr. K. (2/2013) und Dr. L. (8/2013) sowie der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Sektion Neuropädiatrie und Sozialpädiatrie de...