Entscheidungsstichwort (Thema)
Fiktion der Genehmigung einer beantragten Leistung des Versicherten bei nicht fristgerechter Bescheidung der Krankenkasse
Orientierungssatz
1. Wird ein vom Versicherten gestellter Leistungsantrag von der Krankenkasse nicht innerhalb der Frist des § 13 Abs. 3a SGB 5 beschieden, so gilt die beantragte Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt.
2. Die beantragte Leistung darf nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liegen. Der Versicherte muss diese für erforderlich halten dürfen. Die Liposuktion - Fettabsaugung - der Unterschenkel und die Bruststraffung unterfallen ihrer Art nach dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung.
3. Die Rechtmäßigkeit in Fällen einer fiktiven Genehmigung beurteilt sich allein nach den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 13 Abs. 3a SGB 5 und nicht nach den Voraussetzungen des geltend gemachten Naturalanspruchs (BSG Urteil vom 8. 3. 2016, B 1 KR 25/15 R). Eine Anwendung des § 45 SGB 10 ist damit ausgeschlossen.
Tenor
Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 24.05.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2016 und der Rücknahmebescheid vom 06.02.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.04.2017 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine Liposuktion der Unterschenkel beidseits und eine Bruststraffung beidseits zu gewähren.
Die notwendigen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf eine Liposuktion der Unterschenkel beidseits und eine Bruststraffung als Sachleistung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), des Weiteren über die Rechtmäßigkeit einer Rücknahme der - fiktiv gemäß § 13 Abs. 3a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) - erteilten Genehmigung dieser Leistungen.
Die 0000 geborene Klägerin litt an erheblichem Übergewicht. 2011 wurde ihr ein Magenbypass gelegt. Danach nahm die Klägerin um ca. 70 kg ab. Infolge der Gewichtsreduktion sowie eines Lipödems kam es zu erheblichen Haut- und Fettgewebsüberschüssen im Bereich der Oberarme und Oberschenkel, der Brüste, des Bauches und der Unterschenkel. Auf befürwortende Empfehlung ihres Sozialmedizinischen Dienstes (SMD) bewilligte die Beklagte durch Bescheid vom 19.01.2015 eine operative Straffung des Oberarm-/Oberschenkelgewebes mittels Dermolipektomie bzw. Liposuktion.
Am 15.04.2016 (Eingang bei der Beklagten) beantragte die Klägerin die operative Straffung ihrer Brüste und der Unterschenkel unter Vorlage einer befürwortenden Stellungnahme des Oberarztes Dr. T. des St. N.-Krankenhauses Düsseldorf. Am 18.04.2016 beauftragte die Beklagte den SMD mit der Prüfung und Beantwortung von fünf Fragen zur Notwendigkeit der Leistung; gleichzeitig informierte sie die Klägerin über die Einschaltung des SMD. In seiner Stellungnahme vom 24.05.2016 kam der SMD zum Ergebnis, die beantragte Operation zu Lasten der GKV sei nicht zu empfehlen.
Gestützt hierauf lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 24.05.2016 die beantragte Leistung ab mit der Begründung, sie sei medizinisch nicht indiziert. Hinsichtlich der Liposuktion behauptete die Beklagte, dass diese sich aktuell noch im Stadium der wissenschaftlichen Erprobung befinde und es sich derzeit nicht um eine Leistung der GKV handele.
Dagegen erhob die Klägerin am 07.06.2016 Widerspruch. Zur Begründung verwies sie auf eine ausführliche Stellungnahme des Dr. T. vom 22.09.2016.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 29.11.2016 zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 20.12.2016 Klage erhoben (S 13 KR 450/16). Auf Hinweis des Gerichts, dass nach dem aus der Verwaltungsakte ersichtlichen Verfahrensablauf die maßgebliche 5-Wochen-Frist nach § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V zum Zeitpunkt der Erteilung des Bescheides vom 24.05.2016 bereits abgelaufen und daher die Genehmigungsfiktion am 21.05.2016 eingetreten gewesen sei, hat die Beklagte - nach Anhörung der Klägerin - durch Bescheid vom 06.02.2017 die fiktive Genehmigung vom 21.05.2016 "über die Kostenübernahme für eine Liposuktion der Unterschenkel beidseits sowie der Bruststraffung beidseits" mit Wirkung für die Zukunft, gestützt auf § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), zurückgenommen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die fiktive Genehmigung sei rechtswidrig, da sie nicht mit der materiellen Rechtslage übereinstimme; nach der gutachterlichen Stellungnahme bestehe kein Anspruch auf die Kostenübernahme für die Liposuktion.
Dagegen hat die Klägerin am 06.03.2017 Widerspruch erhoben, den die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 05.04.2017 als unbegründet zurückgewiesen hat.
Dagegen hat die Klägerin die am 05.05.2017 Klage erhoben (S 13 KR 189/17).
Das Gericht hat die beiden Verfahren nach Anhörung der Beteiligten und mit deren Zustimmung durch Beschluss vom 19.06.2017 verbunden.
Die Klägerin ist der Auffassung, die fiktive Genehmigung der beantragten Leistungen sei nicht rechtswidrig. Die Liposuktion der Unterschenkel beidseits und die Bruststraffun...