Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Beachtung der kraft Gesetzes angeordneten aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen die Verwaltung

 

Orientierungssatz

1.Das Gericht der Hauptsache kann die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage feststellen, wenn die Verwaltung die aufschiebenden Wirkung nicht beachtet.

2.Haben die vom Antragsteller erhobenen Klagen kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung und dokumentiert der Antragsgegner durch sein Verhalten - Betreiben der Zwangsvollstreckung durch Verhängung weiterer Zwangsgelder -, dass er die aufschiebende Wirkung der Klagen nicht beachtet, ist der Antrag auf Beachtung der aufschiebenden Wirkung begründet.

 

Tenor

Es wird festgestellt, dass die am 07.06.2011 erhobenen und unter dem Az. S 19 SO 100/11 geführten Klagen gegen die Bescheide vom 20.04. und 06.05.2011 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 27.05.2011 aufschiebende Wirkung haben.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 1.000,- Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Mit den unter dem Az. S 19 SO 100/11 geführten Klagen wendet sich der Antragsteller gegen Zwangsmaßnahmen des Antragsgegners.

Der Antragsteller ist der Ehemann der Frau F. L ... Nachdem der mittlerweile verstorbene Vater der Frau L., Herr E., seit 01.11.2009 Leistungen zur Pflege erhielt, versuchte der Antragsgegner, Frau L. aus übergeleiteten Unterhaltsansprüchen in Anspruch zu nehmen und forderte den Antragsteller mit Bescheiden vom 10.06. bzw. 25.06.2010 unter Androhung von Zwangsmitteln zur Auskunft über seine Einkommensverhältnisse auf. Widerspruchs- und Klageverfahren hiergegen blieben erfolglos (Urteil der 20. Kammer des Sozialgerichts Aachen vom 01.03.2011, Az. S 20 SO 109/10).

Mit Bescheid vom 20.04.2011 setzte der Antragsgegner zur Durchsetzung des Auskunftsverlangens gegen den Antragsteller ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 Euro fest und drohte ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 500,00 Euro an. Zur Begründung führte er aus, diese Maßnahmen seien erforderlich, um den Antragsteller zur Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu veranlassen. Da es sich hierbei um Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung handele, hätten Rechtsbehelfe hiergegen nach § 8 des Ausführungsgesetzes zur VwGO keine aufschiebende Wirkung. Mit weiterem Bescheid vom 06.05.2011 setzte der Antragsgegner ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 500,00 Euro fest und drohte ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 750,00 Euro an. Der Antragsteller legte gegen die Bescheide am 12.05. bzw. am 18.05.2011 Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Zur Begründung führte er aus, (übergeleitete) Unterhaltsansprüche des Herrn E. gegen seine Tochter bestünden nicht, weil er diese sexuell missbraucht habe. Hierzu verwies er auf das vor dem Amtsgericht Düren durchgeführte Verfahren des Antragsgegners gegen Frau L. (Az.: 23 F 187/10) und darauf, dass unter dem 16.05.2011 vor diesem Gericht eine umfangreiche Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeuginnen anberaumt sei. Der Antragsgegner wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheiden vom 27.05.2011 zurück und lehnte die gestellten Anträge auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung ab.

Hiergegen hat der Antragsteller am 07.06.2011 beim Verwaltungsgericht Aachen Klagen erhoben, das die Klagen zuständigkeitshalber an das erkennende Gericht verwiesen hat.

Am 07.06.2011 hat sich der Antragsteller zunächst an das Verwaltungsgericht Aachen gewandt und Eilrechtsschutz begehrt.

Er verweist auf das am 06.06.2011 ergangene Urteil des Amtsgerichts Düren, aus dem sich ergibt, dass übergeleitete Unterhaltsansprüche verwirkt sind, weil der Schwiegervater des Antragstellers seine Tochter in ihrer Kindheit sexuell missbraucht habe.

Der Antragsteller beantragt seinem Vorbringen nach sinngemäß,

die aufschiebende Wirkung der am 07.06.2011 erhobenen und unter dem Az. S 19 SO 100/11 geführten Klagen gegen die Bescheide vom 20.04. und 06.05.2011 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 27.05.2011 festzustellen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Anträge abzulehnen.

Er hält das Urteil des Amtsgerichts Düren für unzutreffend und sieht einen übergeleiteten Unterhaltsanspruch nach wie vor für gegeben.

Hinsichtlich der weiteren wesentlichen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte verwiesen.

II.

Zunächst war das Begehren des Antragstellers nach seiner wohlverstandenen Interessenlage auszulegen. Danach kommt es ihm darauf an, dass der Antragsgegner die aufschiebende Wirkung seiner Klagen (dazu sogleich) beachtet. Dieses Begehren kann er nicht durch Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klagen erreichen. Denn die Klagen haben nach § 86a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung. Eine aufschiebende Wirkung ist nicht nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 8 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung im Lande Nordrhein-Westfalen (AG-VwGO) entfallen. Denn das Ausführungsgese...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?