Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer wirksamen Aufrechnung im Abrechnungsverfahren zwischen Krankenhaus und Krankenkasse
Orientierungssatz
1. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse gegenüber dem Krankenhausträger entsteht nach § 109 Abs. 4 i. V. m. § 39 Abs. 1 S. 2 SGB 5 unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten.
2. Im Abrechnungsverfahren zwischen Krankenhaus und Krankenkasse hat hinsichtlich der Aufrechnung die Regelung des § 366 Abs. 2 BGB seit Inkrafttreten der Vereinbarung zwischen dem GKV-Spitzenverband und der Deutschen Krankenhausgesellschaft zum 1. 9. 2014 keine Gültigkeit mehr.
3. Nach § 9 S. 2 der Prüfverfahrensvereinbarung 2015 ist der unstreitige Leistungsanspruch des Krankenhauses, mit dem der Erstattungsanspruch der Krankenkasse aufgerechnet werden soll, genau zu bestimmen. Fehlt es an der erforderlichen hinreichenden Bestimmtheit, so ist eine von der Krankenkasse erklärte Aufrechnung unwirksam. Die Unwirksamkeit der Aufrechnung bewirkt, dass der Vergütungsanspruch des Krankenhauses noch nicht erfüllt ist und die Krankenkasse zur Zahlung zu verurteilen ist.
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 3.843,53 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.05.2016 bis zum 31.03.2017 sowie in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2017 zu zahlen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Der Streitwert wird auf 3.843,53 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung von Krankenhausbehandlungen.
Der Kläger betreibt ein zugelassenes Krankenhaus. Dort wurde vom 27.01. bis 04.02.2016 die bei der Beklagten versicherte B. (Fall-Nr. 1225791) stationär behandelt. Am 09.03.2016 stellte der Kläger der Beklagten hierfür 10.240,18 EUR in Rechnung (Rechnungs-Nr. 90571283) unter Zugrundelegung der Fallpauschale (DRG) I43B. Die Beklagte beglich die Rechnung in voller Höhe. Sie beauftragte sodann den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Prüfung der Abrechnung und teilte dies dem Kläger mit Schreiben vom 14.03.2016 mit. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass die Behandlung zwar nach der zutreffenden Fallpauschale abgerechnet worden sei, der Kläger jedoch das Entgelt für die individuell angefertigte Prothese nicht beanspruchen könne. Die Beklagte errechnete hieraus eine um 3.843,83 EUR zu viel gezahlte Vergütung. Mit Schreiben vom 26.04.2016 machte sie gegenüber dem Kläger einen entsprechenden Rückforderungsanspruch geltend und forderte ihn auf, ihr diesen Betrag gutzuschreiben. Der Kläger erhob dagegen mit Schreiben vom 05.07.2016 Einspruch. Daraufhin kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 25.05.2016 unter Bezugnahme auf "§ 9 PrüfvV" und den Behandlungs-/Abrechnungsfall "B., Rechnungsnummer: 0090571283" gegenüber dem Kläger an, sie werde ihren vermeintlichen Erstattungsanspruch aus diesem Behandlungsfall in Höhe von 3.843,53 EUR aufrechnen; sie erklärte: "Wir verweisen hierzu aus das von Ihnen von unserem Finanzbereich übermittelte Avis." Mit Schreiben ("Zahlungsmitteilung") vom 27.05.2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie habe ihm 207.591,45 EUR auf sein Konto überwiesen. In der folgenden 10-seitigen Aufstellung finden sich Rechnungsdaten (aus 2015 und 2016), Rechnungsnummern und Fallnummern sowie Geldbeträge, die mehr als hundert Behandlungsfälle von Versicherten der Beklagten betreffen. Vor einige der Geldbeträge findet sich ein Minus-Zeichen, die übrigen sind Positivbeträge. Die Saldierung der positiven und negativen Beträge ergibt den Zahlbetrag 207.591,45 EUR. Die Aufstellung vom 27.05.2016 enthält auf Blatt 3 den Buchungstext: - 09.03.2016 0090571283 SAMU:0001319113 6.396,65 0001225791 - 09.03.2016 0090571283 SAMU:0001319113 -10.240,18 0001225791 Die Aufstellung enthält überwiegend Vergütungsbeträge aus Behandlungsfällen, die zwischen den Beteiligten nach Grund und Höhe unstreitig sind und die in der Summen den Betrag der von der Beklagten geltend gemachten und zur Aufrechnung gestellten Forderung von 3.843,53 EUR weit übersteigen.
Am 01.04.2017 hat der Kläger Klage auf Zahlung von 3.843,53 EUR erhoben. Er ist der Auffassung, in dieser Höhe Anspruch auf (Rest-)Vergütung für die in dem Zahlungsavis vom 27.05.2016 aufgeführten unstreitigen Behandlungsfälle zu haben. Die Aufrechnung genüge nicht den Vorgaben des § 9 Satz 2 Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) 2015, die keine "Soll"-, sondern eine "Ist"-Vorschrift sei. Danach seien bei der Aufrechnung der Leistungsanspruch und der Erstattungsanspruch genau zu benennen. Dies sei vorliegend nicht erfolgt, es fehle an einer wirksamen Aufrechnung. Selbst wenn die Aufrechnung zulässig (gewesen) wäre, sei sie ins Leere gegangen. Der Beklagten habe ein Rückerstattungsanspruch aus dem Behandlungsfall "B., Fall-Nr. 0090571283, nicht zugestanden, da die Implantation der patientenindividuell angefertigten Prothese im konkreten Fall aus medizinischen Gründen indiziert gewesen sei.
Der Kläger ...