Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs des Versicherten bei selbstbeschaffter Leistung gegenüber der Krankenkasse
Orientierungssatz
1. Voraussetzung des Kostenerstattungsanspruchs des Versicherten nach § 13 Abs. 3 SGB 5 ist u. a., dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbracht hat.
2. Die Situation eines sog. Notfalls i. S. von § 76 Abs. 1 S. 2 SGB 5 liegt u. a. dann vor, wenn ein Vertragsarzt nicht rechtzeitig zur Verfügung steht und wenn ohne eine sofortige Behandlung durch einen Nichtvertragsarzt Gefahren für Leib und Leben entstehen oder heftige Schmerzen unzumutbar lange andauern würden.
3. Ein Kostenerstattungsanspruch unter den Voraussetzungen eines sog. Systemversagens bei ärztlicher Behandlung des Versicherten in einem Nichtvertragskrankenhaus ist dann ausgeschlossen, wenn selbst bei Annahme einer Unaufschiebbarkeit die erforderliche stationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus hätte erfolgen können.
4. Hat sich der Versicherte vor Beginn der stationären Krankenhausbehandlung nicht an die Krankenkasse gewandt und deren Entscheidung abgewartet, sondern den Behandlungsweg nicht eingehalten und sich die Leistung selbst beschafft, so ist ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB 5 ausgeschlossen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten einer stationären Behandlung in einer Privatklinik vom 12.12. bis 15.12.2017 in Höhe von 4.989,92 EUR.
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie hat bei der T. J. Krankenversicherung a.G. eine private Zusatzkrankenversicherung. Vom 12.12. bis 15.12.2017 wurde die Klägerin in der N.-Klinik L. stationär behandelt. Die N-Klinik ist eine Privatklinik und nicht zur Versorgung gesetzlich Versicherter zugelas-sen. Die Klägerin verpflichtete sich gegenüber der Klinik zur Zahlung der Behandlungs-kosten als Selbstzahler. Unter dem 15.01.2018 stellte die N.-Klinik der T. J. für die Be-handlung 4.989,92 EUR als Vergütung (DRG I10F) zuzüglich 420,00 EUR für Wahlleistung (Einzelzimmerzuschlag), insgesamt 5.409,92 EUR in Rechnung. Da die T. J. aufgrund der privaten Zusatzversicherung lediglich die Wahlleistung vom 420,00 EUR übernahm (vgl. Abrechnung vom 08.02.2018) stellte die N.-Klinik der Klägerin unmittelbar unter dem 24.05.2018 4.989,92 EUR für die Krankenhausbehandlung in Rechnung. Die Klägerin be-glich die Rechnung im Juni 2018.
Am 01.06.2018 reichte die Klägerin diese Rechnung bei der Beklagten ein und bat um Kostenübernahme mit den Hinweisen, die Rechnung sei ihr erst jetzt zugesandt worden, bereits im Jahre 2013 seien Kosten "für die gleiche OP" in der MediaPark-Klinik übernommen worden.
Durch Bescheid vom 25.07.2018 lehnte die Beklagte den Kostenübernahmeantrag ab mit der Begründung, die Behandlung in der Privatklinik sei nicht zuvor bei der Krankenkasse beantragt worden.
Dagegen erhob die Klägerin am 20.08.2018 Widerspruch. Sie verwies darauf, es habe dringender Handlungsbedarf bestanden. Sie legte einen Befundbericht von Dr. I. vom 14.08.2018 vor. In diesem schrieb der Arzt, er habe aufgrund der orthopädischen Vorerkrankung und gelebten Anamnese der Klägerin dringend eine stationäre Behandlung in der N.-Klinik L. (Neurochirurgie) empfohlen; nur durch das schnelle Handeln und die rasche Einleitung einer Therapie habe bis zum heutigen Tag ein gutes therapeutisches Ergebnis erzielt werden können; die Behandlung in einer alternativen Klinik habe er aus medizinischer Sicht zum damaligen Zeitpunkt für obsolet gehalten, sie sei auch zeitlich nicht so schnell zu organisieren gewesen.
Auf Anfrage der Beklagten teilte der medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) am 05.10.2018 mit, eine notwendige Behandlung habe in jeder Vertragsklinik mit entsprechender Fachausrichtung erfolgen können; unabhängig davon sei grundsätzlich zu klären, ob überhaupt die Notwendigkeit einer akut-stationären Behandlung bestanden habe.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 21.03.2019 zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Behandlung in einer Privatklinik sei keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) habe die Klägerin nicht gewählt; Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3 SGB V käme nicht in Betracht, weil der Beschaffungsweg nicht eingehalten sei.
Dagegen hat die Klägerin am 15.04.2019 Klage erhoben. Sie verweist nochmals auf die dringende Behandlungsbedürftigkeit wegen "Ende November 2017" aufgetretenen "schwersten therapieresistenten Schmerzen im Bereich der LWS"; ihr sei dringend die Aufnahme in die N.-Klinik empfohlen worden. Sie verwies nochmals auf den Bericht von Dr. I ... Sie legte des Weiteren Arztberichte der "Praxis für Neurochirurgie" der N.-Klinik L. vom 15.12.2017 vor. Danach wurde am 06.12.2017 eine CT-gesteuerte periradic...