Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Regelung über stationäre Entbindung. eigenständige Anspruchsgrundlage. Geburtshaus. Fehlen. Vergütungsvereinbarung. erstattungsfähige Kosten
Orientierungssatz
1. Paragraph 197 S 1 RVO ist als eigenständige Anspruchsgrundlage bei Entbindungen in Einrichtungen der Geburtshilfe ohne ärztliche Leitung zu verstehen (vgl ua LSG Darmstadt vom 16.12.1993 - L-1/Kr-586/89 = E-LSG Kr-039).
2. Solange eine Krankenkasse mit einem Geburtshaus keine Vergütungsvereinbarung geschlossen hat, richtet sich die Höhe der erstattungsfähigen Kosten nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gemäß § 195 Abs 2 S 1 RVO iVm § 12 SGB 5).
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Klägerin Anspruch auf Übernahme einer Kostenpauschale für Unterkunft, Pflege und Verpflegung in einem Geburtshaus hat, mit welchem die Beklagte (noch) keinen Vergütungsvertrag geschlossen hat.
Die ... 1974 geborene und bei der Beklagten versicherte Klägerin entband ... 1999 ihre Tochter in einem von zwei Hebammen geleiteten Geburtshaus. Für ihren Aufenthalt bis einschließlich 15. August 1999 wurden ihr von dem Geburtshaus als Kosten für Unterkunft, Pflege und Verpflegung pauschal 248,00 DM pro Tag in Rechnung gestellt. Die persönlichen Leistungen aus Anlass der Geburt rechnete die betreuende Hebamme direkt mit der Beklagten ab.
Die Klägerin legte diese Rechnung der Beklagten am 25. August 1999 vor und bat um Übernahme der Kosten in Höhe von insgesamt 744,00 DM (= 380,40 €).
Mit Bescheid vom 03. September 1999 erklärte sich die Beklagte im Hinblick auf einen zukünftigen Vergütungsvertrag mit dem Geburtshaus bereit, eine Pauschale in Höhe von 247,00 DM (= 126,29 €) zu übernehmen. Weitergehende Ansprüche lehnte sie mit der Begründung ab, dass bisher eine entsprechende vertragliche Grundlage für die Abrechnung von Sachkosten fehle. Den Widerspruch der Klägerin vom 13. September 1999 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. Dezember 1999 zurück und begründete ihre Entscheidung unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23.11.1995 (Az.: 1 RK 5/94, in Breithaupt 1996, 466 ff.) damit, das von der Klägerin in Anspruch genommene Geburtshaus sei (noch) nicht zur Versorgung der Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen zugelassen.
Die Klägerin hat am 24. Januar 2000 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, die gesetzlichen Krankenkassen seien aufgrund der Regelung des § 197 Reichsversicherungsordnung (RVO) verpflichtet, nicht nur mit Krankenhäusern, sondern auch mit anderen Einrichtungen Regelungen über die Vergütung von Unterkunft, Pflege und Verpflegung zu treffen. Solange die Beklagte dieser Pflicht nicht nachkomme, könne sie sich gegenüber ihren Versicherten nicht auf das Fehlen eines Vergütungsvertrages berufen, was einen direkten Anspruch der Versicherten auf Kostenübernahme nach sich ziehe.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 03. September 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Dezember 1999 zu verurteilen, für sie aus Anlass des stationären Aufenthaltes im Geburtshaus G in der Zeit vom 13. bis 15. August 1999 Kosten für Unterkunft, Pflege und Verpflegung in Höhe von weiteren 254,11 € zu übernehmen.
Die Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die Gerichtsakten und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet. Denn der Bescheid der Beklagten vom 03. September 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Dezember 1999 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, als darin die Übernahme der Kostenpauschale in voller Höhe abgelehnt wurde.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Freistellung von ihrer Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Geburtshaus in Höhe weiterer 254,11 €. Diesen Betrag hat ihr das Geburtshaus lediglich bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über ihre Ansprüche gegen die Beklagte gestundet.
Der Anspruch der Klägerin auf Freistellung von den Kosten für Unterkunft, Pflege und Verpflegung beruht auf dem Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches.
Dieses Rechtsinstitut dient nach ständiger Rechtsprechung des BSG der Beseitigung der Folgen einer Pflichtverletzung durch einen Sozialversicherungsträger durch Herstellung desjenigen sozialrechtlichen Zustandes, der bestanden hätte, wenn die Behörde richtig gehandelt hätte (Urteil des BSG vom 25.08.1993, Az.: 13 RJ 27/92, in BSGE 73, 56ff.)
Nach § 197 RVO in der seit 01. Januar 1989 geltenden Fassung hätte der Klägerin anläßlich ihrer Entbindung im Geburtshaus ein Sachleistungsanspruch auf Unterkunft, Pflege und Verpflegung zugestanden. Denn nach dieser Vorschrift haben Versicherte für sich und ihr Neugeborenes Anspruch auf Unterkunft, Pflege...