Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung: Anerkennung einer Paratyphus A-Infektion als Berufskrankheit bei einer Infektion während einer Geschäftsreise nach Indien

 

Orientierungssatz

Eine Paratyphus A-Infektion ist jedenfalls dann als Berufskrankheit anzuerkennen, wenn der Betroffene im Infektionszeitraum eine Dienstreise nach Indien unternommen hatte, bei der er auch an Geschäftsessen teilnahm, da auf dem indischen Subkontinent der entsprechende Erreger verbreitet ist (hier: 18-fach höhere Erregerbelastung als in Deutschland) und über die Nahrung aufgenommen werden kann, so dass von einer Durchseuchung des Arbeitsumfeldes des Betroffenen auszugehen ist.

 

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 13. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 29. August 2012 wird aufgehoben und es wird festgestellt, dass die Paratyphus A-Infektion des Klägers eine Berufskrankheit nach Nummer 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung ist.

II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist die Feststellung einer Paratyphus A-Infektion als Berufskrankheit (BK) nach Nummer 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BK 3101), also Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war.

Der 1963 geborene Kläger war vom 5. bis 17. Dezember 2010 auf einer Geschäftsreise in Indien. Nach seiner Rückkehr wurde er wegen gastritischer Beschwerden behandelt. Am 27. Dezember 2010 unternahm der Kläger eine private Reise über Mexiko nach Costa Rica. Dort wurde er ab 4. Januar 2011 mit Fieber und Durchfällen ärztlich behandelt. Zurück in Deutschland war er vom 15. bis 26. Januar 2011 stationär im , wo am 18. Januar 2011 erstmals eine Infektion mit Salmonella paratyphi A nachgewiesen und sodann antibiotisch behandelt wurde. Als Infektionsquelle wurde eine in Indien erworbene orale Infektion über Lebensmittel angenommen. Der Kläger war bis 18. Mai 2011 arbeitsunfähig.

Die Paratyphus A-Infektion des Klägers wurde der Beklagten im April 2011 als Verdacht auf eine Berufskrankheit angezeigt. Im Zuge ihrer Ermittlungen holte die Beklagte das Gutachten des - nunmehr - Prof. Dr. S., M. Klinik in W., vom 14. November 2011 ein. Prof. Dr. S. führte aus, die Diagnose Paratyphus A sei gesichert. Es bestehe ein nachvollziehbarer Zusammenhang zwischen der Infektion und der Reise nach Indien. Die Erkrankung komme weltweit vor, sei aber in unterentwickelten Regionen der Welt endemisch und besonders häufig auf dem indischen Subkontinent. Bei Reisen nach Indien bestehe ein 18fach höheres Erkrankungsrisiko. Der Serotyp A werde üblicherweise aus Asien importiert. Die Inkubationszeit betrage üblicherweise 8 bis 14 Tage. Der klinische Verlauf zeige in der ersten Krankheitswoche eine treppenartig ansteigende Fieberkurve. Ab der zweiten Krankheitswoche verharre die Fieberkurve zwischen 39 und 41° und es trete ein schweres Krankheitsgefühl ein. In der dritten Woche zählten Durchfälle charakteristischerweise zur Symptomatik. Beim Kläger seien erste Krankheitssymptome am 18. Dezember 2010 aufgetreten. Ab 4. Januar 2011 sei es zu einer Verschlechterung gekommen.

Auf Nachfrage der Beklagten gab Prof. Dr. S. unter dem 24. Januar 2012 an, es könne letztendlich nicht eindeutig geklärt werden, auf welcher Reise der Kläger die Erkrankung erworben habe.

Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte daraufhin mit Bescheid vom 13. April 2012 die Anerkennung einer BK 3101 ab, weil sich ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Paratyphus A-Erkrankung und der Berufstätigkeit des Klägers nicht nachweisen lasse.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 29. August 2012 zurückgewiesen.

Dagegen hat der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigten am 28. September 2012 Klage zum Sozialgericht München erhoben. Dieses hat sich mit Beschluss vom 25. März 2013 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Augsburg verwiesen.

Zur Klagebegründung ist vorgetragen worden, statistisch betrachtet könne die Infektion nur in Indien erfolgt sein. Auch die Berechnungen der Beklagten zur Inkubationszeit seien fehlerhaft, weil sie von einer Latenz von maximal 10 Tagen ausgehe. Im Übrigen spreche auch der Krankheitsverlauf nicht gegen eine Infektion in Indien.

Das Gericht hat Prof. Dr. D., Institut für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit der D-Stadt, mit dem Gutachten vom 17. Juli 2013 beauftragt. Die Sachverständige ist zu dem Ergebnis gekommen, der Kläger habe nachgewiesenermaßen an einer Infektion und Erkrankung durch Salmonella paratyphi gelitten. Der Zeitpunkt der Infektion sei nicht sicher zu bestimmen. Als Inkubationszeit würden bis zu 30 Tage angegeben. Nach heutigem Stand der Wissenschaft sei daher anzunehmen, dass sich die Infektion zwischen dem 5. Dezember 2010 und dem 3. Januar 2011 ereignet habe, wenn der 4....

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge