Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. bisher nicht Versicherter. Auffangpflichtversicherung. Beitragsbemessung gem § 240 Abs 4 S 1 SGB 5 nach den gesetzlichen Mindesteinnahmen unabhängig von den tatsächlichen Einnahmen. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Beitragshöhe in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung richtet sich für gem § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V Pflichtversicherte nach den Grundsätzen der Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder (§ 227 SGB V iVm § 240 SGB V).

2. § 240 Abs 4 S 1 SGB V (Beitragsbemessung nach den gesetzlichen Mindesteinnahmen unabhängig von den tatsächlichen Einnahmen) findet daher auch bei dieser Versichertengruppe Anwendung.

3. Dies stellt keinen Grundrechtsverstoß gegen Art 3 Abs 1 GG im Hinblick auf die Beitragsbemessung gem §§ 237, 238 und 238a SGB V für gem § 5 Abs 1 Nr 11, 11a und § 12 SGB V versicherungspflichtige Rentner für den Fall dar, dass der gem § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V Pflichtversicherte ebenfalls Rentner ist.

 

Tenor

I. Die Klage gegen den Bescheid vom 28. April 2015 in Fassung des Widerspruchsbescheids vom 9. Juli 2015 wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung ab 01.04.2015 streitig.

Die Klägerin ist seit dem 01.04.2015 bei der Beklagten gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) pflichtversichertes Mitglied.

Sie bezieht eine monatliche Rente von der Deutschen Rentenversicherung in Höhe von 567,33 €.

Mit Bescheid vom 28.04.2015 setzte die Beklagte die monatlichen Beiträge der Klägerin zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 65,71 € (Krankenversicherungsbeitrag: 55,89 € und Pflegeversicherungsbeitrag: 9,82 €) fest.

Dieser Berechnung legte sie weitere Einnahmen der Klägerin in Höhe von 377,67 € zu Grunde.

Es seien gesetzliche Mindest- und Höchsteinkommensgrenzen für das Jahr 2015 festgelegt. Nach oben gelte die Beitragsbemessungsgrenze von 4.125,00 €. Lägen die Einnahmen unterhalb des gesetzlich vorgegebenen Mindesteinkommens von 945,00 €, seien die Beiträge aus diesem Mindesteinkommen zu berechnen.

Dagegen richtet sich der Widerspruch der Klägerin vom 05.05.2015.

Die monatlichen Zahlungen der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung erfolge durch den Rentenversicherungsträger gemäß § 250 Abs. 3 SGB V in Verbindung mit § 228 Abs. 1 Satz 1, § 249 a Satz 1 und § 255 Abs. 1 Satz 1 SGB V sowie gemäß § 271 SGB V. Sie selbst habe daher keine weiteren Beiträge zu zahlen.

Hierauf erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 13.05.2015 der Klägerin, dass die Rente der Klägerin die Mindestbemessungsgrenze in Höhe von 945 € nicht überschreite. Sie sei daher verpflichtet, auf den Differenzbetrag bis zu ihrer Rente Beiträge zu entrichten. Der Differenzbetrag betrage 377,67 €. Davon seien Beiträge in Höhe von 65,71 € zur Kranken- und Pflegeversicherung zu entrichten. Aus der Rente in Höhe von 567,33 € führe die Rentenversicherung die Beiträge ab.

Hierauf hat die Klägerin am 01.06.2015 beim Sozialgericht Augsburg einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt.

Diesen hat sie damit begründet, dass sie zum 01.04.2015 bei der Beklagten gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V pflichtversichertes Mitglied geworden sei. Die von der Beklagten angewandte Regelung nach § 227 SGB V in Verbindung mit § 240 SGB V fänden in ihrem Fall keine Anwendung. Diese gelte nur für versicherungspflichtige Mitglieder nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V, solange diese keine gesetzliche Rente bezögen. Mit dem Bezug einer gesetzlichen Rente richteten sich die beitragspflichtigen Einnahmen nach der Rangfolge der Einnahmen im Sinne der §§ 238, 238a SGB V, die eine Mindestbeitragsbemessungsgrenze nicht vorsähen. Da sie als versicherungspflichtige Rentnerin außer der Rentenzahlung über keine nachrangigen Einnahmen verfüge, bemesse sich ihre Beitragshöhe zur Kranken- und Pflegeversicherung ausschließlich am Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung.

Weiter hat sie vorgetragen, dass der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15.03.2000 zu beachten sei, worin das Gericht die beitragsrechtliche Ungleichbehandlung zwischen freiwillig versicherten Rentnern und gesetzlich versicherten Rentnern festgestellt habe. Die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss zu der unzulässigen Ungleichbehandlung von freiwillig Versicherten und Pflichtversicherten bei der Aufnahme in die Krankenversicherung der Rentner ließe für eine ungleiche Beitragsbemessung von freiwillig versicherten Rentnern und pflichtversicherten Rentnern keinen Raum, da dies mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) nicht vereinbar sei.

Mit Beschluss vom 01.07.2015 hat das Sozialgericht den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt (S 6 KR 217/15 ER). Die dagegen eingelegte Beschwerde beim Landessozialgericht ist ebenfalls ohne Erfolg geblieben (L 4 KR 329/15 B ER).

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.07.2015 hat die Beklagte d...

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