Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosengeld 2 wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht des Leistungsempfängers
Orientierungssatz
1. Nach § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB 2 i. V. m. § 330 Abs. 3 SGB 3 und § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist.
2. Zur Mitteilungspflicht nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB 1 zählt bei dem Empfänger von Grundsicherungsleistungen u. a. die Bekanntgabe dem Grundsicherungsträger gegenüber, dass er inzwischen in einer Bedarfsgemeinschaft lebt.
3. Unter einer Bedarfsgemeinschaft in Form einer eheähnlichen Gemeinschaft ist die Verbindung zweier Partner unterschiedlichen Geschlechts zu verstehen, wenn sie auf Dauer angelegt ist, keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründet und damit über die Beziehung einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht.
4. Verfügt der Partner über eigene Einkünfte, so haben diese Einfluss auf die Hilfebedürftigkeit des SGB 2-Leistungsempfängers, mit der Folge, dass dessen Leistungsberechtigung teilweise oder ganz entfällt.
5. Der Aufhebungsgrund des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB 10 ist dadurch erfüllt, dass der Leistungsberechtigte die für ihn nachteilige Änderung der Verhältnisse nach Erlass des Bewilligungsbescheides nicht unverzüglich mitgeteilt hat.
Tenor
I. Die Klage gegen die Bescheide vom 16. März 2010 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2010 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist eine Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 01.01.2010 bis 31.05.2010 streitig.
Die am 1961 geborene Klägerin stellte am 20.12.2006 erstmals bei der Beklagten einen Antrag auf Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Hierbei gab sie an, seit November 2006 von ihrem Ehemann dauernd getrennt zu leben. Der gemeinsame Sohn B. , geboren am 1999, lebe bei ihr. Weitere Personen wären im Haushalt nicht vorhanden.
Anschließend bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld II als alleinstehende und alleinerziehende Person.
Im September 2007 erhielt die Beklagte über das Jugendamt einen Hinweis darauf hin, dass die Klägerin mit einem Bundeswehrsoldaten zusammenlebe.
Am 08.02.2008 führte die Beklagte bei der Klägerin einen Hausbesuch durch. Da bei der Hausbegehung lediglich im Schuhregal im Flur Herrenpantoffeln vorgefunden wurden und es an sonstigen Herrenartikeln bzw. Herrenbekleidung fehlte, ging die Beklagte weiterhin entsprechend den Angaben der Klägerin von ihrem Alleinleben aus.
Nach ununterbrochenem Leistungsbezug stellte die Klägerin am 21.10.2009 wiederum einen Fortzahlungsantrag bei der Beklagten. In diesem gab sie an, dass sich ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht geändert haben.
Daraufhin bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 06.11.2009 Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 622,75 € für die Zeit vom 01.12.2009 bis 31.05.2010. Der Sohn der Klägerin erhielt keine Leistungen, da er im Sinne des SGB II nicht hilfebedürftig ist.
Der Bescheid ist bestandskräftig geworden.
Am 04.12.2009 ging bei der Beklagten von der Polizeiinspektion A-Stadt ein Hinweis darauf hin ein, dass die Klägerin mit einem Angehörigen der Bundeswehr zusammenwohne.
Dies war Anlass für einen weiteren Hausbesuch bei der Klägerin am 16.12.2009. Nach einem Aktenvermerk vom 21.12.2009 sei hierbei die Klägerin aus dem Bett geklingelt worden. Die Mitarbeiter der Beklagten sowie der Zeuge M. von der PI A-Stadt seien zunächst vor der Haustür stehen geblieben, bis sich die Klägerin gerichtet habe. Während dieser Zeit sei ein junger Mann mit Hund und einer großen Tüte Frühstückssemmeln zur Wohnung gekommen und habe sie hereingebeten. Er habe über einen Wohnungsschlüssel verfügt. Auf Befragen hin habe er mitgeteilt, dass er Herr H. sei und im Haus des Freundes seiner Mutter in W. wohne. Er sei der Freund der Klägerin und mit dieser bereits seit 2 Jahren liiert. Der Zeuge H. habe sich noch kurz in Englisch mit der Klägerin unterhalten und daraufhin wieder die Wohnung verlassen, weil er zum Dienst musste. Der Zeuge H. scheine bei der Bundeswehr tätig zu sein. Zumindest habe er eine entsprechende Uniform getragen. Dann sei mit der Klägerin die gesamte Wohnung begangen worden. Im Kleiderschrank im Schlafzimmer haben sich Bekleidungsstücke zu Dienstzwecken sowie für private Zwecke des Zeugen H. befunden. Daneben habe sich im Schlafzimmer ein französisches Bett befunden, welches auf beiden Seiten mit gleicher Bettwäsche bezogen und belegt gewesen sei. Weiter haben im Schl...