Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. hausarztzentrierte Versorgung. Notwendigkeit der Aufhebung des Verwaltungsakts der Krankenkasse über die Bestätigung der Teilnahme des Versicherten nach Beendigung des Vertrags zwischen Leistungserbringer und Krankenkasse

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einem Schreiben einer Krankenkasse, mit dem diese einem Versicherten die Teilnahme an einer hausarztzentrierten Versorgung bestätigt, handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt. Dieser ist bei Beendigung des zugrundeliegenden, zwischen Leistungserbringern und der Krankenkasse bestehenden Vertrags über eine hausarztzentrierte Versorgung nach § 48 Abs 1 SGB 10 wegen wesentlicher Änderung von tatsächlichen Verhältnissen aufzuheben. Der Versicherte kann ab Wirksamkeit der Aufhebung keine Rechte mehr aus der hausarztzentrierten Versorgung ableiten.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 08.09.2015; Aktenzeichen B 1 KR 19/15 B)

 

Tenor

I. Die Klage gegen den Bescheid vom 31. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Mai 2011 wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin auch nach Kündigung des mit dem Bayerischen Hausärzteverband e.V. geschlossenen Hausarztvertrages durch die Beklagte Anspruch auf Leistungen der hausarztzentrierten Versorgung hat.

Die bei der Beklagten versicherte Klägerin nahm seit Oktober 2009 an der von der Beklagten angebotenen hausarztzentrierten Versorgung teil. Dies wurde ihr von der Beklagten mit Bescheid vom 30.09.2009 bestätigt. Es wurde ausgeführt, dass sich die Praxisgebühr aufgrund der Teilnahme auf jährlich 10,00 € verringere. Die Praxisgebühr sei immer im 1. Quartal des Teilnahmejahres fällig und die folgenden 3 Quartale seien dann frei. Die Befreiung gelte nur für die Dauer der Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung.

Die von der Beklagten angebotene hausarztzentrierte Versorgung beruhte auf einem von der Beklagten mit dem Bayerischen Hausärzteverband geschlossenen Vertrag über eine hausarztzentrierte Versorgung. Als Vorteile für die teilnehmenden Versicherten war ein jährlicher Gesundheitscheck ab dem 35. Geburtstag, eine jährliche Vorsorgeuntersuchung Hautkrebs, eine jährliche Ultraschalluntersuchung zur Vorsorge und zusätzliche Laboruntersuchungen vereinbart. Der Vertrag über die hausarztzentrierte Versorgung wurde von der Beklagten zum Jahresende 2010 außerordentlich gekündigt. Die Beklagte informierte die Klägerin mit Bescheid vom 21.01.2011 darüber, dass mit der Kündigung des Hausarztvertrages auch die Teilnahme der Klägerin am Hausarzttarif ende. Der Befreiungsausweis von der Praxisgebühr verliere ab 2011 seine Gültigkeit.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Eine Beendigung der Teilnahme am Hausarztvertrag sei nach § 19c Abs. 5 der Satzung der Beklagten nur möglich, wenn die Klägerin die Pflichten nach § 19c Abs. 3 und 4 der Satzung der Beklagten nicht beachtet habe. Eine andere Kündigung sei nicht möglich. Es werde auf den vertraglich festgelegten Vorteilen des Vertrags, den Erlass der Praxisgebühr und den jährlichen Gesundheitscheck mit Ultraschallvorsorge bestanden. Die Praxisgebühr von 10,00 € für das Jahr 2011 sei bereits erhoben und bislang nicht zurückerstattet worden. Die Beklagte sei nach § 73b Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) verpflichtet, ihren Versicherten einen Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung anzubieten. Es gebe keinen Zusammenhang zwischen einem Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und Hausärzten einerseits sowie zwischen der Versicherten und der Beklagten andererseits.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 19.05.2011 zurückgewiesen. Bestehe ein Vertrag mit einem Leistungserbringer nicht mehr, so könnten Versicherte auch keine Leistungen aus diesem Vertrag mehr beanspruchen. Der Hausarztvertrag sei durch außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund beendet worden und daher nicht mehr existent. Die Kündigung sei zu Recht erfolgt, was durch das Sozialgericht München und das Bayerische Landessozialgericht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes festgestellt worden sei. Ein Hauptsacheverfahren sei nicht mehr durchgeführt worden. Der Bayerische Hausärzteverband habe sich gravierend vertragswidrig verhalten, weshalb eine Fortführung des Hausarztvertrages für die Beklagte nicht zumutbar gewesen sei. Damit sei auch eine Teilnahme der Klägerin an der hausarztzentrierten Versorgung nicht mehr möglich und die Teilnahme habe beendet werden müssen. Dabei habe das Bestätigungsschreiben bezüglich der Teilnahme am Hausarzttarif als begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) aufgehoben werden können. Die wirksame Kündigung des Hausarztvertrages habe eine wesentliche Änderung bewirkt. Die in § 19c Abs. 5 der Satzung geregelte Kündigungsmöglichkeit der Beklagten bei Verstößen des Versicherten bedeute nicht, dass andere Beendigungstatbestände ausscheiden würden. § 73b SGB V und die Satzung der Bek...

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