Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Rechtsanwaltswechsel im Klageverfahren. Erstattungsfähigkeit der Kosten. Ermittlung des Vergleichsbetrags iS von § 202 SGG, § 91 Abs 2 S 2 ZPO. Berücksichtigung der Vorverfahrenskosten bei der im Gerichtsverfahren entstandenen Verfahrensgebühr

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Verfahrensgegner hat auch bei Anwaltswechsel im Laufe des sozialgerichtlichen Klageverfahrens nur die Kosten eines Rechtsanwalts zu erstatten, die für die Inanspruchnahme eines Anwaltes anfallen, wenn der Anwaltswechsel verschuldet war.

2. Zur Ermittlung des Vergleichsbetrages der Kosten beim Anwaltswechsel ist nicht nur auf die Verfahrensgebühren nach Nr 3102 und Nr 3103 RVG-VV abzustellen, sondern es sind die Vorverfahrenskosten mit zu berücksichtigen.

 

Tenor

Auf die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Sozialgerichts Berlin vom 19. Juni 2009 werden die zu erstattenden Kosten auf 1230,76 Euro festgesetzt. Der Ausspruch über die Verzinsung gilt entsprechend. Die weitergehende Erinnerung sowie die Anschlusserinnerung werden zurückgewiesen.

Der Erinnerungsgegner hat vier Fünftel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I.

Gegenstand der Klage vom 30. März 2005 im Verfahren S 124 AS …/07 war die Zuerkennung höherer Unterkunftskosten. Das Gericht bewilligte den Erinnerungsführerinnen im September 2006 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt K.

Im November 2007 zeigte der nunmehrige Bevollmächtigte die Mandatsübernahme an. Auf Antrag der Erinnerungsführerinnen hob das Gericht die Beiordnung des vormaligen Bevollmächtigten ab 19. September 2007 auf. Im Februar 2008 erweiterte der Bevollmächtigte die Klage um den Leistungszeitraum Oktober 2007 bis September 2008. Im März 2009 anerkannte der Erinnerungsgegner die Übernahme der Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe sowie die außergerichtlichen Kosten der Erinnerungsführerinnen dem Grunde nach.

Mit Schriftsatz vom 17. April 2009 beantragte die Bevollmächtigte der Erinnerungsführerinnen die Festsetzung von 1.323,58 Euro:

Verfahrensgebühr Nr. 3102, 1008 VV RVG

676,00 Euro

Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG

380,00 Euro

Kommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG

 20,00 Euro

Dokumentenpauschale (50x0,50 Euro)

 36,25 Euro

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG

211,33 Euro

Die Festsetzung der Höchstgebühr sei im Hinblick auf die Bedeutung, den Umfang und die Schwierigkeit der Angelegenheit angemessen. Die Bearbeitungsdauer habe über 10 Stunden betragen. Der Umgang mit der Erinnerungsführerin zu 1) sei im Hinblick auf ihren Gesundheitszustand schwierig.

Der Erinnerungsgegner wandte Unbilligkeit ein. Angemessen sei vorliegend eine Verfahrensgebühr in Höhe von 200,- Euro und eine Terminsgebühr in Höhe von 160,- Euro.

Mit Beschluss vom 19. Juni 2009 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unter Zurückweisung des Antrags im Übrigen 862,75 Euro fest:

Verfahrensgebühr Nr. 3102, 1008 VV RVG

435,00 Euro

Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG

270,00 Euro

Kommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG

 20,00 Euro

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG

137,75 Euro

Auf die Gründe des Beschlusses wird Bezug genommen.

Die Erinnerung ist am 24. Juni 2009 beim Sozialgericht Berlin eingegangen. Der Bevollmächtigte der Erinnerungsführerinnen macht u.a. geltend, die Festsetzung der Höchstgebühren sei angemessen. Die Angelegenheit sei für diese auch über den Streitgegenstand hinaus von Bedeutung, da es um den Erhalt der angestammten Wohnung ging. Neben den neun eingereichten Schriftsätzen sei ein Termin beim sozialpsychiatrischen Dienst beim Bezirksamt wahrzunehmen gewesen. Die letztlich als Klageerweiterung behandelte Klage sei zwischenzeitlich unter dem Az. S 106 AS .../08 eingetragen gewesen.

Am 26. Juni 2009 hat auch der Erinnerungsgegner Erinnerung erhoben und die Festsetzung von 424,59 Euro beantragt. Er wendet ein, die Urkundsbeamtin habe die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens aufgrund des Anwaltswechsels und der bewilligten Prozesskostenhilfe für den zuvor tätigen Rechtsanwalt noch nicht festsetzen dürfen. Der Anwaltswechsel sei nach Klageerledigung erfolgt. Das Festsetzungsverfahren habe ausgesetzt werden müssen, solange nicht geklärt sei, ob der vormalige Bevollmächtigte seinerseits Kosten geltend mache. Zudem sei hinsichtlich des Rechtsanwaltes, der die Klage erhoben habe, die Nr. 3103 VV RVG einschlägig, da er die Erinnerungsführerinnen bereits im Vorverfahren vertreten habe. Art und Umfang der Tätigkeit sowie die Bedeutung der Angelegenheit würden eine Gebühr unterhalb der Mittelgebühr rechtfertigen.

II.

Die Erinnerung ist zulässig und überwiegend begründet, die Anschlusserinnerung ist unbegründet.

Der Festsetzung der Gebühren des Bevollmächtigten der Erinnerungsführerinnen durch die Urkundsbeamtin stand bzw. steht nicht entgegen, dass eine Abrechnung des vormaligen Bevollmächtigten, Rechtsanwalt K, (ggf. noch) nicht vorliegt. Die geltend gemachten Kosten sind notwendig im Sinne von ...

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