Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. mehrere Auftraggeber. Vergütungsanspruch gegen die Landeskasse bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht für jeden Streitgenossen. Kostenberechnung bei unterschiedlicher Kostenquote. SGB 2-Bedarfsgemeinschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Haben nicht alle Streitgenossen kostenmäßig Erfolg, berechnet sich der Anspruch gegen den Verfahrensgegner kopfteilig aus dem Gesamtbetrag der anwaltlichen Kosten.

Wird nicht allen Streitgenossen PKH bewilligt, ist der Vergütungsanspruch gegen die Landeskasse ebenfalls kopfteilig aus dem Gesamtbetrag der anwaltlichen Kosten für die Vertretung aller Streitgenossen zu bilden. Er ist nicht auf den Erhöhungsbetrag nach Nr 1008 VV RVG beschränkt. Die Vergütung errechnet sich aber auch nicht so, als wenn der Rechtsanwalt den beigeordneten Mandanten von Anfang an allein vertreten hätte.

 

Tenor

Auf die Erinnerung wird die gerichtliche Kostenrechnung vom 23. Juli 2014 (S 202 AS 14496/12 ER) geändert und der Betrag der an die Landeskasse zu zahlenden Kosten wird auf 231,65 € festgesetzt.

Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.

Die Beschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Gegenstand des Eilantrags vom 5. Juni 2012 im Verfahren S 202 AS 14496/12 ER war die Bescheiderteilung und Auszahlung des beantragten Arbeitslosengeldes II für den Monat Juni 2012. Der Antragsgegner (hier: Erinnerungsführer) bewilligte mit Bescheid vom 4. Juni 2012 Leistungen. Das Verfahren wurde daraufhin seitens der drei Antragstellerinnen für erledigt erklärt. Der Erinnerungsführer anerkannte die Erstattungsfähigkeit der Kosten der Antragstellerin zu 1).

Mit Beschluss vom 9. November 2012 bewilligte die 202. Kammer den drei Antragstellerinnen Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Bevollmächtigten. Mit Beschluss vom 11. April 2013 legte sie dem Erinnerungsführer die Kosten der Antragstellerinnen zu 1) und 2), nicht aber die der Antragstellerin zu 3) auf.

Die Bevollmächtigte der Antragstellerinnen stellte der Landeskasse 410,55 € in Rechnung nach folgender Berechnung:

Verfahrensgebühr Nr. 3102, 1008 VV RVG

(erhöht um 30% wegen zwei Auftraggebern)

325,00 €

Kommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG

 20,00 €

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG

 65,55 €

Mit Beschuss vom 8. April 2014 setzte die Urkundsbeamtin die aus der Landeskasse zu erstattende Vergütung antragsgemäß auf 410,55 € fest.

Mit Kostenberechnung vom 23. Juli 2014 forderte sie den Erinnerungsführer zur Erstattung von 273,70 € auf. In dieser Höhe (2/3) sei der Anspruch auf die Landeskasse übergegangen.

Der Erinnerungsführer wendet sich mit der Erinnerung vom 25. August 2014 an das Sozialgericht Berlin, soweit eine 146,67 € zzgl. Umsatzsteuer hinausgehende Erstattung gefordert werde. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien deutlich unterdurchschnittlich gewesen. Es sei lediglich die Antragsschrift gefertigt worden, der Vortrag habe sich darin erschöpft, dass der Antrag sei unbearbeitet geblieben sei. Der Anspruch sei zudem sofort anerkannt worden.

Im Übrigen wird auf den Erinnerungsschriftsatz und den sonstigen Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Die Erinnerung ist zulässig und teilweise begründet.

Die Kostenberechnung der Urkundsbeamtin vom 23. Juli 2014 war wie tenoriert abzuändern. Anzuwenden ist hier noch das RVG einschl. des Vergütungsverzeichnisses in der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Fassung, vgl. § 60 Abs. 1 RVG.

Die anwaltliche Gebührenbestimmung ebenso wie die Berechnung der Urkundsbeamtin in der Kostenberechnung vom 23. Juli 2014 erweisen sich nicht als billig im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG. Allerdings sind auch die vom Erinnerungsführer für erstattungsfähig gehaltenen Kosten nicht angemessen. Die Kammer teilt ferner weder die Auffassung des Erinnerungsführers noch die der bevollmächtigten Rechtsanwältin zur Berechnung des quotal vom Erinnerungsführer zu erstattenden Kostenteils.

Die Verfahrensgebühr ist anhand des Gebührenrahmens der Nr. 3102 VV RVG zu bestimmen, erhöht nach Nr. 1008 VV RVG um den Mehrvertretungszuschlag. Dies ist im Grundsatz zwischen den Beteiligten zutreffend unstreitig. Der Betragsrahmen ist aber um 60% und nicht nur um 30% zu erhöhen. Sind wie hier mehrere Kostenprivilegierte im Sinne von § 183 SGG am Verfahren beteiligt, erhöht sich der Rahmen der Verfahrensgebühr um 30% je Beteiligtem, wobei die Erhöhung das Doppelte der Höchstgebühr nicht überschreiten darf.

Der Erinnerungsführer, der nur die Kosten von zwei der drei Antragstellerinnen zu erstatten hat, muss nach der ständigen und einheitlichen Rechtsprechung der Berliner Kostenkammern (z.B. SG Berlin, Beschlüsse vom 16. Dezember 2010, S 127 SF 1660/09 E, vom 1. März 2011 S 180 SF 3308/10 E, vom 26. März 2013, S 165 SF 8202/10 E und vom 9. Oktober 2014, S 180 SF 5408/14 E - alle nicht veröffentlicht), nur die anteiligen Kosten erstatten, die auf die Antragstellerinnen zu 1) und 2) im Innenverhältnis mit der Antragstellerin zu 3) entfallen; vgl. hierzu Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, ...

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