Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Geschäftsgebühr. vorgerichtliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten als Betreuer im Verwaltungsverfahren. Umfang der anwaltlichen Tätigkeit. Anfall einer Erledigungsgebühr im Gerichtsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der verringerte Gebührenrahmen der Nr 2501 RVG-VV aF ist nicht anwendbar, wenn der Rechtsanwalt im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren lediglich in seiner Eigenschaft als Betreuer tätig geworden ist.

2. Die im Gerichtsverfahren erfolgte Anregung des Rechtsanwalts, medizinische Ermittlungen durchzuführen, stellt keine besondere Mitwirkungshandlung dar, die zum Anfall der Erledigungsgebühr führt.

 

Orientierungssatz

Ein überdurchschnittlicher Umfang der anwaltlichen Tätigkeit lässt sich nicht allein aus der doppelten Übersendung der Unterlagen für einen Antrag auf Prozesskostenhilfe ableiten. Auch ist es nicht von Bedeutung wie lange das Klageverfahren gedauert hat, da Bezugspunkt die anwaltliche Tätigkeit ist.

 

Tenor

Auf die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Sozialgerichts vom 18. März 2009 (Az. S 78 SO …./06) wird der Betrag der vom Erinnerungsgegner zu erstattenden Kosten auf insgesamt 703,25 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.

Der Erinnerungsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsführers zu 15 Prozent zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Erinnerungsführer beantragte, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigte als gesetzliche Betreuerin, beim Erinnerungsgegner die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Der Erinnerungsgegner lehnte die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung ab, da beim Erinnerungsführer keine dauerhafte volle Erwerbsminderung vorliege (Bescheid vom 16.01.2006 und Widerspruchsbescheid vom 28.04.2006). Dagegen erhob der Erinnerungsführer, wiederum vertreten durch seine Prozessbevollmächtigte/Betreuerin, Widerspruch und anschließend Klage. Nach Durchführung medizinischer Ermittlungen im Klageverfahren erließ der Erinnerungsgegner einen Bewilligungsbescheid über Leistungen der Grundsicherung, woraufhin der Rechtsstreit durch die Bevollmächtigte für erledigt erklärt wurde.

Am 18. Juli 2008 beantragte der Erinnerungsführer nach Abschluss des Klageverfahrens in der Hauptsache die Festsetzung von Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 1.076,95 Euro. Die Prozessbevollmächtigte berechnete dabei wie folgt:

Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG

280,00 EUR

Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG

200,00 EUR

Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG

200,00 EUR

Erledigungsgebühr nach Nr. 1002, 1006 VV RVG

190,00 EUR

Kopierauslagen (30 Kopien)

 15,00 EUR

Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG

 20,00 EUR

Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG

 171,95 EUR

Gesamtbetrag

 1.076,95 EUR

Mit Beschluss vom 18. März 2009 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die dem Erinnerungsführer zu erstattenden Kosten auf den Betrag von 644,35 EUR fest. Dabei legte sie folgende Berechnung zugrunde:

Vorverfahren

Geschäftsgebühr nach Nr. 2501 VV RVG

120,00 EUR

Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG

 20,00 EUR

Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG (16 %)

 22,40 EUR

Summe

162,40 EUR

Klageverfahren

Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG

170,00 EUR

Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG

200,00 EUR

Dokumentationspauschale, Nr. 7000 VV RVG

 15,00 EUR

Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG

 20,00 EUR

Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG (19 %)

 76,95 EUR

Summe

481,95 EUR

Gesamtbetrag

 644,35 EUR

Zur Begründung führte die Urkundsbeamtin u. a. aus, dass die Geschäftsgebühr sich nach Nr. 2501 VV RVG a. F. richte, da eine Tätigkeit der Bevollmächtigten im Verwaltungsverfahren vorausgegangen sei. In diesem Fall habe der Rechtsanwalt von seiner Tätigkeit im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren profitiert. Gründe für die Überschreitung der Schwellengebühr nach Nr. 2501 VV RVG a. F. und der Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG seien nicht ersichtlich. Allein die Dauer des Verfahrens rechtfertige keine Erhöhung der Verfahrensgebühr. Die Terminsgebühr sei unstreitig und daher antragsgemäß festzusetzen. Eine Erledigungsgebühr sei nicht angefallen, da keine Tätigkeit vorliege, die auf den besondern Erfolg einer Erledigung der Sache ohne förmliche Entscheidung gerichtet sei. Die Annahme eines Anerkenntnisses des Beklagten sei keine solche besondere Mitwirkung der Bevollmächtigten.

Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss richtet sich die Erinnerung vom 27. April 2009, die hier am selben Tag eingegangen ist. Der Erinnerungsführer meint, der Tatbestand der Nr. 2501 VV RVG a. F. sei nicht einschlägig. Die Bevollmächtigte sei im Verwaltungsverfahren lediglich in ihrer Eigenschaft als Betreuerin beteiligt gewesen. Dies sei zu unterscheiden von einer Tätigkeit als Verfahrensbevollmächtigte im vorherigen Verwaltungsverfahren. Die Vermutung, die Prozessbevollmächtigte habe von ihrer Tätigkeit im Ausgangsverfahren profitiert, sei vor dem Hint...

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