Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenfestsetzungsverfahren. verminderte Verfahrensgebühr. "fiktive" Terminsgebühr in Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz. Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Anwendung des niedrigeren Gebührenrahmens der Nr 3103 VV-RVG wird dadurch gerechtfertigt, dass die Tätigkeit des Rechtsanwaltes in einem "Eilt-Verfahren" regelmäßig dadurch erleichtert wird, wenn er in derselben Sache bereits im Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren tätig ist.

2. In Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 86b Abs 1 und Abs 2 SGG kann eine Gebühr nach Nr 3106 VV-RVG in Gestalt der "fiktiven" Terminsgebühr nicht anfallen, wenn ein Termin tatsächlich nicht stattgefunden hat, weil für die Beschlussentscheidung nach § 86b SGG die Durchführung eines Termins zur mündlichen Verhandlung nicht vorgesehen ist (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 01.02.2007 - V ZB 110/06-).

 

Tenor

Die Erinnerung der Antragstellerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Sozialgerichts Berlin vom 7. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.

Kosten des Erinnerungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Zur Frage der Anwendbarkeit festgesetzten Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG und der Angemessenheit der hierfür festgesetzten Höhe verweist das Gericht in entsprechender Anwendung von § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nach eigener Prüfung auf die zutreffende Gründe der angefochtenen Entscheidung (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage 2005, § 142 Randziffern 5, 5 a, 5 b, 5d m. w. N.) und der dort zitierten Entscheidung des LSG Bayern vom 12. Februar 2007 -L 15 B 224/06 AS KO - (ebenso: LSG Schleswig.Holstein, Beschluss vom 28. Februar 2007 - L 1 B 467/06 SK; LSG Nordrheinwestfalen, Beschlüsse vom 26. April 2007 - L 9 B 14/06 AS -, vom 6. August 2007 - L 20 B 91/07 AS -, vom 26. April 2007 - L 7 B 36/07 und vom 3. Dezember 2007 - L 20 B 66/07 AY -).

Die Anwendung des niedrigeren Gebührenrahmens der Nr. 3103 VV RVG wird dadurch gerechtfertigt, dass die Tätigkeit des Rechtsanwaltes in einem Eilt-Verfahren regelmäßig dadurch erleichtert wird, wenn er in derselben Sache bereits im Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren tätig ist. Die Prüfung und der Vortrag des Rechtsanwaltes sind hinsichtlich des Anordnungsgrundes mit den materiell-rechtlichen Anforderungen der Widerspruchsbegründung deckungsgleich. Dass zusätzlich der Anordnungsgrund glaubhaft gemacht werden muss, steht nicht entgegen, da dieser Aufwand üblicherweise gegenüber dem Aufwand für die Begründung des Anordnungsanspruches erheblich zurücktritt.

Zur Frage der Angemessenheit der Höhe der festgesetzten Terminsgebühr ist die Kammer grundsätzlich folgender Auffassung:

In Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz nach § 86b Abs. 1 und Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann eine Gebühr nach Nr. 3106 VV RVG in Gestalt der “fiktiven„ Terminsgebühr, wenn ein Termin tatsächlich nicht stattgefunden hat, nicht anfallen, da für die Beschlussentscheidung nach § 86b SGG die Durchführung eines Termins zur mündlichen Verhandlung nicht vorgesehen ist (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 01.02.2007 zum Verfahren V ZB 110/06). Diese Auffassung teilt auch die 164. Kammer des Sozialgerichts Berlin, die nunmehr neben der 165. Kammer des Sozialgerichts Berlin für die Entscheidungen nach § 197 Satz 2 SGG eine Alleinzuständigkeit hat, vgl. Beschluss vom 21. Januar 2009 - S 164 SF 14/09 E -. Soweit der Vorsitzende der 164. Kammer als Vorsitzender der 87. Kammer des Sozialgerichts Berlin in der Entscheidung vom 15.04.2008 zum Verfahren S 87 AS 6754/06 ER unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.04.2007 zum Aktenzeichen L 7 B 36/07 AS die Auffassung vertreten hatte, dass auch im Verfahren nach § 86b SGG eine fiktive Terminsgebühr anfallen kann, so hat er diese Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben (Beschluss S 87 AS 3339/08 ER). Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 05.12.2007 zum Verfahren 4 KSt 1007.07 (4 A 1070.06) nachvollziehbar dargelegt, dass grundsätzlich in Beschlussverfahren, in denen eine mündliche Verhandlung oder eine Erörterung tatsächlich nicht stattfindet, eine Terminsgebühr nicht anfallen kann.

Es trifft zu, dass die Entstehung der Terminsgebühr weder eine über die Annahme des Anerkenntnisses hinausgehende Mitwirkung im Sinne einer vorhergehenden Kommunikation voraussetzt noch die von Gesetzes wegen obligatorische Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Grundvoraussetzung für die Entstehung dieser Gebühr ist jedoch nach § 2 Abs. 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 des Vergütungsverzeichnisses (VV-RVG) i.V.m. Abschnitt 1 Nr. 3106 Ziffer 3 VV-RVG, dass für das entsprechende Rechtsschutzverfahren überhaupt eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist oder, wie etwa im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, ausnahmsweise durchgeführt werden soll. Denn die Te...

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