Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. keine Erstattung von Kosten für von einem Berliner Krankenhaus verordnete Hilfsmittel während und nach einer stationären Krankenhausbehandlung. keine schuldhafte Pflichtverletzung bei Ermöglichung einer Prüfung der Sachleistungspflicht durch die Krankenkasse
Leitsatz (amtlich)
1. Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Versorgung mit Hilfsmitteln, deren Einsatz - insbesondere zur Immobilisierung und Entlastung nach Operationen - sowohl während des stationären Krankenhausaufenthalts als auch (in der Regel zeitlich überwiegend) poststationär medizinisch notwendig ist, den allgemeinen Krankenhausleistungen zuzuordnen ist, ist für das Land Berlin bislang weder im Gesetz (vgl insbesondere § 39 Abs 1 S 3 SGB 5, § 1 Abs 1, § 2 Abs 1 KHEntgG) noch im Vertrag über die Allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung für das Land Berlin (vgl § 8 Abs 1 KBV) hinreichend eindeutig geregelt.
2. Beschafft ein Berliner Krankenhaus derartige Hilfsmittel nicht auf eigene Kosten selbst, sondern verordnet es diese zu Lasten der Krankenkasse auf eigenen Rezeptvordrucken, die sich deutlich von den für die vertragsärztliche Versorgung vereinbarten Vordruckmustern unterscheiden, und ermöglichst es damit der Krankenkasse, ihre Sachleistungspflicht gemäß § 33 SGB 5 im Einzelfall zu prüfen, stellt dies keine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 280 Abs 1 BGB iVm § 69 Abs 1 S 3 SGB 5 dar (Abgrenzung zu SG Nürnberg vom 9.7.2015 - S 7 KR 197/14).
Orientierungssatz
Aktenzeichen beim LSG Berlin-Potsdam: L 1 KR 217/16
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.922,79 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2014 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Beklagten kein Zahlungsanspruch in Höhe von 19.838,40 EUR für von der Klägerin veranlasste Hilfsmittelversorgungen für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2012 zusteht.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten für Hilfsmittel, deren Einsatz sowohl während als auch nach einer stationären Krankenhausbehandlung erforderlich war.
Die Klägerin betreibt ein in den Krankenhausplan des Landes Berlin aufgenommenes Krankenhaus. In diesem werden insbesondere im chirurgisch-orthopädischen Bereich, aber auch in anderen Abteilungen, Patienten teilweise bereits während des stationären Aufenthalts mit Hilfsmitteln versorgt, die noch während der stationären Behandlung aber auch über deren Ende hinaus zum Einsatz kommen. Hierbei handelt es sich unter anderem um Knie-, Fuß- und Schultergelenksorthesen zur Immobilisierung bzw. Entlastung nach Operationen an den betroffenen Gelenken, um Verbandsschuhe oder Fußteilentlastungsschuhe nach Hallux- oder sonstigen Fußoperationen sowie um Lagerungskissen bzw. -keile.
In der Zeit von März bis Dezember 2009 wurden in dem Krankenhaus der Klägerin 17 bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Patienten stationär behandelt und mit entsprechenden Hilfsmitteln versorgt. Die Krankenhausbehandlung rechnete die Klägerin gegenüber der Beklagten jeweils nach den entsprechenden Fallpauschalen ab. Die Versorgung mit den Hilfsmitteln erfolgte in den 15 zuletzt noch streitigen Fällen in der Weise, dass die Klägerin gesonderte Verordnungen zu Lasten der Beklagten ausstellte, wobei sie eigene Rezeptvordrucke verwendete und nicht die für die vertragsärztliche Versorgung vereinbarten Vordruckmuster. Die Versicherten wurden auf der Grundlage dieser Verordnungen von Sanitätshäusern mit den Hilfsmitteln versorgt, wobei die Beklagte teilweise - soweit sie nicht nach den zwischen ihr und den Leistungserbringern im Bereich der Hilfsmittel geschlossenen Verträgen darauf verzichtet hatte - vor, während bzw. nach der Versorgung die Kostenübernahme ausdrücklich gegenüber den Versicherten und den Sanitätshäusern erklärt hatte. Die Sanitätshäuser rechneten die Vergütungen hierfür jeweils gesondert gegenüber der Beklagten nach den vereinbarten Vertragssätzen ab. Die Beklagte bezahlte die Rechnungen. Die Beklagte zahlte auf die Rechnungen der Sanitätshäuser für die oben genannten 17 Versicherten insgesamt 3.121,15 EUR. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten (Bl. 1 bis 150) Bezug genommen. In den Jahren Jahre 2010 bis 2012 erfolgte die Versorgung mit den in Rede stehenden Hilfsmitteln in derselben Weise, wodurch der Beklagten weitere Kosten in Höhe von insgesamt 19.838,40 EUR entstanden.
Im Jahr 2013 führte die Beklagte gemeinsam mit dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung deutschlandweit eine großflächige Prüfung der hier in Rede stehenden Hilfsmittel, die üblicherweise sowohl während als auch nach dem stationären Aufenthalt medizinisch notwendig zum Einsatz kommen, durch. In der Folge dieser Prüfung machte die Beklagte gegenüber der Klägerin mit E-Mail vom 27. November 2013 bezüglich der oben genannten Hilfsmittelvergütungen für die Jahre 20...