Orientierungssatz

Parallelentscheidung zu dem Urteil des SG Berlin vom 13.5.2009 - S 83 KA 343/06, das vollständig dokumentiert ist.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 08.02.2012; Aktenzeichen B 6 KA 12/11 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese jeweils selbst tragen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Zurückbehaltung von Honoraranteilen wegen nicht einbehaltener Praxisgebühren in den Quartalen I, II, und III/2005.

Die Klägerin ist Trägerin des Klinikums …, das unter der Abrechnungsnummer 72-74118 eine Notfallambulanz/Erste-Hilfe-Stelle betreibt. Dem Honorarbescheid für das Quartal I/2005 fügte die Beklagte eine Anlage bei, mit der sie unter Hinweis auf § 18 Abs. 7a BMV-Ä einen Betrag in Höhe von 16.280,- € wegen nicht einbehaltener Praxisgebühren zurückbehielt. Die Nichteinzugsquote habe bei 59,55 % gelegen. Hiergegen legte die Klägerin am 28. Oktober 2005 (Eingang bei der Beklagten) Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass der neu eingefügte § 18 Abs. 7a BMV-Ä eine Regelung zu Lasten Dritter darstelle, die zu einer einseitigen verschuldensunabhängigen Verlagerung des Inkassorisikos für den Erhalt der Praxisgebühr führe. Die Rechtsauffassung widerspreche der zwischen den GKV-Spitzeverbänden und der KBV mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft geschlossenen “Rahmenempfehlung zum Erheben der Zuzahlung nach § 28 Abs. 4 SGB V (Praxisgebühr) bei ambulanten Leistungen im Krankenhaus„ (im Folgenden: Rahmenempfehlung). Auch liege keine schuldhafte Verletzung einer vertraglichen Pflicht vor. Auf das Erheben der Praxisgebühr sei nicht verzichtet worden. Die Zuzahlung sei erhoben beziehungsweise der Patient nachträglich zur Zahlung aufgefordert worden. Die Rahmenempfehlung lasse diese Verfahrensweise zu.

Für das Quartal II/2005 machte die Beklagte in der Anlage zum Honorarbescheid bei einer Nichteinzugsquote von 68,81% ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe von 19.130,- € geltend. Mit ihrem am 23. Februar 2006 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruch trug die Klägerin weiter vor, dass § 18 Abs. 7a BMV-Ä auf sie als Krankenhausträgerin im Rahmen der ambulanten Notfallversorgung schon gar nicht anwendbar sei. Eine etwaige Einbehaltsverpflichtung habe sie jedenfalls nicht schuldhaft verletzt, was § 18 Abs. 7a BMV-Ä jedoch voraussetze. Sie - die Klägerin - habe die Zahlung erhoben, indem sie den Patienten bei der Behandlung eine schriftliche Zahlungsaufforderung überreicht habe. Diese Verfahrensweise sei sowohl nach der Rahmenempfehlung als auch nach § 18 Abs. 3 BMV-Ä explizit zugelassen. Mit Bescheid vom 24. Mai 2006 half die Beklagte dem Widerspruch insoweit ab, als dass sie den zurückbehalten Betrag um 10,- € reduzierte. Die Nichteinzugsquote betrage nur noch 68,80 %.

Für das Quartal III/2005 machte die Beklagte in der Anlage zum Honorarbescheid bei einer Nichteinzugsquote von 55,68 % ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe von 16.570,- € geltend. Dem am 12. April 2006 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruch half die Beklagte mit Bescheid vom 24. Mai 2006 in Höhe von 50,- € ab. Die Nichteinzugsquote betrage noch 55,60 %.

Mit Beschluss ihrer Widerspruchsstelle vom 13. Juni 2006 (schriftlicher Bescheid zugestellt mit Einschreiben vom 5. Juli 2006) wies die Beklagte die Widersprüche, soweit ihnen nicht abgeholfen worden war, als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Rechtsgrundlage für die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts sei § 18 Abs. 7a BMV-Ä beziehungsweise § 21 Abs. 7a EKV-Ä. Die gesetzlichen und vertraglichen Regelungen seien auf die Klägerin anwendbar. Die Klägerin habe in mehr als 10 % der Behandlungsfälle die Praxisgebühr nicht eingezogen. Bei der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts handele es sich um eine Ermessensentscheidung. Das Ermessen sei fehlerfrei ausgeübt worden. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, die Praxisgebühr grundsätzlich vor der Behandlung in bar zu erheben. Auch in Notfällen sei die Gebühr vor Behandlungsbeginn zu erheben. Es sei nicht erkennbar, dass die Klägerin sich an die gesetzlichen Vorgaben halte, zumal bei wirklich akuter Behandlung die Patienten stationär aufgenommen würden und die Praxisgebühr in diesem Fall entfalle. Aus der fehlenden Patientenbindung in Erste-Hilfe-Stellen resultiere ein erhöhtes Inkassorisiko, weshalb die Erhebung der Praxisgebühr vor der Behandlung unumgänglich sei. Nur in Fällen, in denen eine Behandlung derart unverzüglich erfolgen müsse, dass für die Erhebung der Praxisgebühr kein Raum sei oder der Patient aufgrund seines Gesundheitszustands nicht in der Lage sei, die Zuzahlung vor der Behandlung zu entrichten, könne diese auch nach der Behandlung erhoben werden. Diese Voraussetzungen lägen hier jedoch nicht vor. Im Übrigen sei der Nichteinzug auch schuldhaft erfolgt, weil das Absehen vom Einzug vor der Behandlung nicht gerechtfertigt sei. Die Nichteinzugsquote stelle ein entscheidendes Indiz ...

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