Entscheidungsstichwort (Thema)
Bürgergeld. Unterkunft und Heizung. Betriebskostenguthaben. Zufluss. Maßgeblichkeit der Verbuchung auf dem Mieterkonto oder des Eingangs auf dem Girokonto des Leistungsberechtigten
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Betriebskostenguthaben stellt weder mit dem Zugang der Nebenkostenabrechnung noch ab der Buchung auf dem Mieterkonto bereits zugeflossenes Einkommen dar. Wird das Guthaben auf das Girokonto des Leistungsempfängers ausgezahlt, liegt erst mit der Buchung auf demselben der maßgebliche Zufluss vor.
2. Ein Nebenkostenguthaben steht nicht schon als bereites Mittel zur Verfügung, wenn es ohne weiteres realisiert werden kann (vgl BSG vom 19.8.2015 - B 14 AS 43/14 R = SozR 4-4200 § 11 Nr 74 RdNr 18 in Abkehr von BSG vom 16.5.2012 - B 4 AS 132/11 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 60 RdNr 22).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten (zuletzt) über Festsetzung und Erstattung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich Kosten der Unterkunft und Heizung für den Monat September 2022.
Der 1968 geborene Kläger steht im laufenden Leistungsbezug beim Beklagten. Dieser lebt mit seiner 1950 geborenen Ehegattin, welche eine Rente in Höhe von 219,61 EUR mtl. sowie aufstockende Leistungen nach dem SGB XII bezieht (im September 2022 iHv 550,78 EUR) zusammen. Der Kläger wohnt zur Miete, wobei die Miete im September 2022 642,98 EUR (Grundmiete: 426,98 EUR + Nebenkosten: 216,00 EUR + Heizkosten: 48 EUR) betrug. Ab Oktober 2022 betrug die monatliche Gesamtmiete 659,98 EUR (Grundmiete: 426,98 EUR + Nebenkosten: 158 EUR + Heizkosten: 75 EUR).
Der Kläger erhielt im Juni 2022 (Abrechnung vom 03.06.2022) eine Nebenkostenabrechnung für den Zeitraum Oktober 2020 bis einschließlich September 2021 aus dem sich ein Guthaben i.H.v. 377,17 EUR ergab. In der Nebenkostenabrechnung heißt es wörtlich: „Wir bitten um schriftliche Mitteilung Ihrer aktuellen Bankverbindung innerhalb der nächsten 2 Wochen ab Ausstellungsdatum dieses Schreibens. Sofern keine offenen Forderungen unsererseits bestehen, werden wir Ihr Guthaben im Zeitraum vom 03.08.2022 bis zum 05.08.2022 auf dieses Konto überweisen.“ Das Guthaben wurde ausweislich des Mieterkontenauszuges am 13.07.2022 dem Mieterkonto und am 17.08.2022 dem Girokonto des Klägers gutgeschrieben.
Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 08.07.2022 - dem auch die Nebenkostenabrechnung beigefügt war - bewilligte der Beklagten mit vorläufigen Bescheid vom 15.07.2022 in der Fassung der (vorläufigen) Änderungsbescheide vom 05.09.2022 (Oktober 2022 bis Februar 2023 betreffend) und 17.12.2022 (Januar und Februar 2023 betreffend) dem Kläger für September 2022 131,18 EUR, für Oktober bis Dezember 2022 je 115,68 EUR und für die Monate Januar und Februar 2023 jeweils 162,68 EUR. Grund für die (bestandskräftige) vorläufige Bewilligungsentscheidung war das schwankende Einkommen des Klägers aus Erwerbstätigkeit.
Nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes und Einreichung der Gehaltsbescheinigungen, wonach der Kläger im September 2022 1.235 EUR brutto (990,51 EUR netto), im Oktober 2022 1.309,38 EUR brutto (1.074,62 EUR netto), im November 2022 1.792,19 EUR brutto (1.432,40 EUR netto), im Dezember 2022 1.321,48 EUR brutto (1.086,72 EUR netto), im Januar 2023 1.309,38 EUR brutto (1.094,16 EUR netto), Februar 2023 1.338,13 EUR brutto (1.112,90 EUR netto) erzielte, setzte der Beklagte den Leistungsanspruch mit Bescheid vom 28.03.2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.07.2023 auf Null EUR fest und verfügte die vollständige Erstattung der bewilligten Leistungen. Zur Begründung führte der Beklagte u.a. aus, der Kläger habe im September 2022 einen Bedarf auf Berücksichtigung des monatlichen Regelbedarfes i.H.v. 404 EUR zzgl. hälftiger Kosten der Unterkunft und Heizung i.H.v. 132,58 EUR (= 642,98 EUR/2 =≫ 321,49 EUR abzüglich hälftigen Nebenkostenguthaben von 188,58 EUR), mithin insgesamt i.H.v. 536,91 EUR gehabt. Unter Berücksichtigung des im September 2022 erzielten Erwerbseinkommens (1.235 EUR brutto bzw. 990,51 EUR netto), welches um den Grundfreibetrag von 100 EUR und den Erwerbstätigenfreibetrag von 200 EUR (mithin insgesamt 300 EUR) zu bereinigen war und somit i.H.v. 690,51 EUR anrechenbar war, ergebe sich kein Leistungsanspruch. Dementsprechend seien auch die im Monat September 2022 erbrachten Leistungen vollständig zu erstatten.
Mit der am 07.08.2023 beim Sozialgericht Berlin erhobenen Klage begehrt der Kläger (zuletzt) die Bewilligung von Leistungen im Monat September 2022 i.H.v. 34,98 EUR und die entsprechende Reduzierung der Erstattungsforderung. Der Kläger ist der Auffassung, der Beklagte habe zu Unrecht das Nebenkostenguthaben im September 2022 berücksichtigt. Anknüpfungspunkt sei allein der Zeitpunkt, an dem der Kläger über das Nebenkostenguthaben habe verfügen können. Dies sei mit der Buchung auf dem Mieterkonto des Klägers (im Juli 2022) der Fall gewesen, sodass das Guthaben im August ...