Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. abschließende Entscheidung nach vorläufiger Leistungsbewilligung. Geltendmachung von Leistungen nach Feststellung dauerhafter Erwerbsminderung. Bildung eines Durchschnittseinkommens. Anspruch auf höhere Leistungen für einzelne Monate. Krankengeld. Abgrenzung Nachzahlung von laufendem Einkommen. Berücksichtigung im Folgemonat
Leitsatz (amtlich)
1. Auch nach Feststellung dauerhafter Erwerbsminderung können noch Leistungen nach dem SGB 2 geltend gemacht werden, die in einem abschließenden Bescheid nach vorläufiger Bewilligung fehlerhaft berechnet wurden.
2. Hat das Jobcenter monatsgenau gerechnet, können mit Anfechtung nur einzelner Monate höhere Leistungen, die sich aus einer Durchschnittsberechnung nach § 41a Abs 4 S 1 SGB 2 ergeben hätten, geltend gemacht werden.
3. Bei durchgehender Erkrankung ist laufendes von nachgezahltem Krankengeld danach abzugrenzen, dass der monatliche Krankengeldanspruch nach § 47 Abs 1 S 7 SGB 5 laufendes Krankengeld ist, ungeachtet der in Abhängigkeit von der Abgabe der Auszahlscheine überwiesenen Zahlbeträge; soweit diese über den Monatsbetrag hinausgehen, handelt es sich um Nachzahlungen iS von § 11 Abs 3 S 2 SGB 2.
4. Nachzahlungen sind auch im vorläufigen Bewilligungsabschnitt und bei der endgültigen Leistungsberechnung dem Zufluss-Folgemonat zuzuordnen; auch vorläufig gewährte Leistungen sind "erbrachte Leistungen" iS von § 11 Abs 3 SGB 2.
Tenor
Der Bescheid vom 18.6.2018 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 27.9.2018 wird dahingehend abgeändert, dass im Monat März 2018 ein monatliches Durchschnittseinkommen von 516,42 € als Einkommen angerechnet wird.
2. Der Bescheid vom 18.6.2018 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 27.9.2018, dieser in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 10.10.2018 wird entsprechend der Berechnung nach Ziffer 1. abgeändert.
3. Der Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten.
Tatbestand
Streitig ist die Einordnung im Bewilligungszeitraum durchgehend gezahlten Krankengeldes als laufendes oder nachgezahltes (Einmal)Einkommen und die sich daraus ergebende, endgültige Leistungsberechnung.
Die Klägerin bezog bis November 2018 Alg II, ergänzend zu Leistungen der Krankenversicherung (Krankengeld). Am 2.1.2018 hatte sie Rente wegen voller Erwerbsminderung (EM-Rente) beantragt, die ihr mit Bescheid vom 21.9.2018 mit Wirkung ab 1.1.2018 und Zahlbeginn 1.11.2018 gewährt wurde. Seit November 2018 wird die sehr geringe EM-Rente mit Grundsicherungsleistungen nach §§ 41 ff SGB XII aufgestockt.
Den Renten-Nachzahlungsbetrag für Januar bis Oktober 2018 hatte der Rentenversicherungsträger zur Erfüllung etwaiger Erstattungsansprüche einbehalten.
Weil die Höhe des jeweils rückwirkend mit Übersendung des Auszahlscheins gewährten Krankengeldes zu Beginn des Bewilligungsabschnitts Dezember 2017 bis Mai 2018 noch nicht feststand, hatte der Beklagte Alg II vorläufig mit einem fiktiven Krankengeld von monatlich 442 € bewilligt (Bescheid vom 17.11.2017, Änderungsbescheid - Anpassung an die Regelbedarf 2018 - vom 25.11.2017).
Ein Betriebskostenguthaben war mit vorläufigem Änderungsbescheid vom 24.1.2018 auf den KdU-Bedarf im Februar 2018 angerechnet worden.
Im Verlauf des Bewilligungsabschnitts Dezember 2017 bis Mai 2018 wurde durchgehend Krankengeld bewilligt und in Abhängigkeit der eingereichten Auszahlscheine wie folgt auf das Konto der Klägerin überwiesen:
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Dezember 2017 |
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Am 1.12.2017 |
442,80 € |
für den Zeitraum 2.11. - 28.11.2017 |
Januar 2018 |
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Am 4.1.2018 |
524,80 € |
für den Zeitraum 29.11. - 31.12.2017 |
Am 9.1.2018 |
32,82 € |
für den Zeitraum 1.1.2018 - 2.1.2018 |
Februar 2018 |
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Am 1.2.2018 |
443,07 € |
für den Zeitraum 3.1. - 29.1.2018 |
März 2018 |
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Am 1.3.2018 |
459,48 € |
für den Zeitraum 30.1. - 27.2.2018 |
Am 26.3.2018 |
435,40 € |
für den Zeitraum 28.2. - 23.3.2018 |
April 2018 |
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Am 23.4.2018 |
436,54 € |
für den Zeitraum 24.3. - 19.4.2018 |
Mai 2018 |
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Am 28.5.2018 |
587,65 € |
für den Zeitraum 20.4. - 24.5.2018 |
Der Beklagte wertete die Krankengeldzahlungen als laufendes, im jeweiligen Zuflussmonat anzurechnendes Einkommen, woraus sich im März 2018 bei einem Hilfebedarf von 831,86 € (416 € Regelbedarf + 415,86 € Unterkunfts- und Heizkosten) ein bedarfsdeckender Einkommenszufluss ergab.
Folglich (§ 41a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 SGB II) errechnete der Beklagte den der Klägerin im Bewilligungszeitraum Dezember 2017 bis Mai 2018 endgültig zustehenden Leistungsanspruch monatsgenau nach dem jeweiligen Hilfebedarf und dem im betreffenden Monat zugeflossenen Krankengeld, abzüglich der 30 €-Versicherungspauschale (Bewilligungsbescheid vom 18.6.2018).
Die sich aus dieser endgültigen Berechnung ergebenden Nachzahlungen und Überzahlungen saldieren sich auf 376,40 €, die der Beklagte mit Erstattungsbescheid vom 18.6.2016 von der Klägerin zurückforderte.
Auf Widerspruch der Klägerin, mit dem die Anrechnung des Krankengeldes als laufendes Einkommen angegriffen wird, änderte der Beklagte die Bescheide unter Berücksichtigung einer Mieterhöhung geringfügig ab (Änderungs- un...