Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Erstattung von Kosten im Vorverfahren. Freistellungsanspruch. Anspruch auf unmittelbare Auszahlung. Vorlage einer Rechnung
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Anspruch auf Auszahlung der Anwaltsvergütung erfolgt nicht unmittelbar aus einem Freistellungsanspruch.
2. Der Zahlungsanspruch entsteht erst dann, wenn der Rechtsanwalt seinem Mandanten eine Rechnung stellt.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte die Kläger von den Kosten eines Widerspruchsverfahrens freistellen muss, indem er die Anwaltsvergütung in Höhe von 328,44 Euro an den im Widerspruchsverfahren Bevollmächtigten der Kläger auszahlt, obwohl dieser nur dem Beklagten, nicht aber den Klägern gegenüber die Gebühren berechnet hat.
Der Beklagte erließ am 3. April 2013 einen Änderungsbescheid über die den Klägern im Zeitraum vom 1. Mai bis 30. Juni 2013 zustehenden Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Hiergegen legte der Bevollmächtigte für die Kläger - die keinen Antrag auf Beratungshilfe stellten - Widerspruch ein, weil die Pauschbeträge des am 13. April 2013 volljährig werdenden Klägers zu 1. fehlerhaft berechnet seien. Mit Änderungsbescheid vom 29. April 2013 korrigierte der Beklagte seine Berechnung für den vorgenannten Zeitraum, indem er nunmehr eine Versicherungspauschale beim Kläger zu 1. berücksichtigte.
Am 17. Mai 2013 beantragte der Bevollmächtigte beim Beklagten, Gebühren und Auslagen in Höhe von 480,76 Euro festzusetzen und zu erstatten. Daraufhin erließ der Beklagte unter dem 15. November 2013 einen Kostenfestsetzungsbescheid, in dem er mitteilte, dass die im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen erstattet werden und die Hinzuziehung des Bevollmächtigten erforderlich war. Zugleich stellte er die Kläger gegenüber ihrem Bevollmächtigten hinsichtlich der geltend gemachten Vergütung in Höhe eines Betrags von 328,44 Euro frei und lehnte den weitergehenden Kostenfestsetzungsantrag ab. Zur Begründung führte er aus, dass eine „Kostenerstattung“ schon begrifflich voraussetze, dass der Mandant die Vergütungsforderung des Rechtsanwalts beglichen habe. Solange er (noch) keine Zahlungen an seinen Mandanten geleistet habe, seien ihm keine Kosten entstanden. Es reiche allerdings aus, wenn der Mandant einer Vergütungsforderung des Rechtsanwalts tatsächlich ausgesetzt sei. In diesen Fällen könne er verlangen, von der Vergütungsforderung freigestellt zu werden. Der Vergütungsanspruch eines Rechtsanwalts entstehe zwar bereits mit der ersten anwaltlichen Tätigkeit nach Übernahme des Auftrags und werde mit der Auftragserledigung oder dem Ende der Angelegenheit fällig (§ 8 RVG). Allerdings könne der Anwalt gemäß § 10 RVG die Vergütung nur aufgrund einer von ihm unterzeichneten und dem Auftraggeber mitgeteilten, den Anforderungen dieser Vorschrift genügenden Berechnung einfordern. Die Rechnung sei Voraussetzung für die außergerichtliche oder gerichtliche Einforderbarkeit der Vergütung. Ohne Mitteilung der Berechnung an den Auftraggeber sei das Einfordern der Vergütung nicht zulässig und bestehe für den Auftraggeber keine Zahlungspflicht. Folglich müsse die Behörde im Falle des § 63 SGB X dem erfolgreichen Widerspruchsführer keine Anwaltskosten als Aufwendungen erstatten, die der Anwalt mangels Rechnungslegung an seinen Auftraggeber ihm gegenüber nicht geltend machen könne. Etwas anderes gelte nur dann, wenn und soweit durch das jeweils zuständige Amtsgericht Beratungshilfe für die anwaltliche Tätigkeit im konkreten Fall bewilligt worden und damit der Vergütungsanspruch gem. § 9 Satz 2 Beratungshilfegesetz (BerHG) auf den Rechtsanwalt übergegangen sei. Eine an die Mandanten gerichtete Abrechnung sei anlässlich des Kostenfestsetzungsantrages genauso wenig nachgewiesen wie ein etwaiger Beratungshilfeantrag beim zuständigen Amtsgericht. Es könne dahin stehen, ob es sich bei der Kostenfestsetzung um einen materiell-rechtlichen oder verfahrensrechtlichen Kostenerstattungsanspruch handele. Auch im Fall eines verfahrensrechtlichen Erstattungsanspruchs sei eine Rechnungslegung gem. § 10 RVG erforderlich, da jedenfalls Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Sinne von § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X nur solche Gebühren und Auslagen seien, die ein Rechtsanwalt seinem Mandanten in Rechnung stelle. Ohne diese Berechnung bestehe keine Zahlungspflicht des Mandanten und somit auch keine Erstattungspflicht des Dritten.
Der Bevollmächtigte forderte den Beklagten mit Schreiben vom 19. November 2013 auf, den festgesetzten Betrag bis zum 29. November 2013 auf sein Konto zur Auszahlung zu bringen. Daraufhin teilte der Beklagte dem Bevollmächtigten mit, dass er die Anweisung so rasch wie möglich veranlassen werde, wenn der Bevollmächtigte den Nachweis einer ordnungsgemäßen Abrechnung gegenüber den Mandanten einreichen werde.
Am 9. Dezember ...