Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Verpflegung bei Krankenhausaufenthalt. Kürzung der Regelleistung wegen häuslicher Ersparnis. Nichtberücksichtigung als Einkommen
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Kürzung der Regelleistung während eines stationären Krankenhausaufenthaltes ist nicht zulässig. Für eine Absenkung des Regelsatzes wegen teilweiser Bedarfsdeckung durch Gewährung von Krankenhausverpflegung fehlt es an einer Rechtsgrundlage.
2. Krankenhausverpflegung ist als zweckbestimmte Einnahme, die einem anderen Zweck als die SGB 2-Leistungen dient, auch nicht als Einkommen nach § 11 SGB 2 anrechenbar.
Tenor
1. Der Bescheid vom 26. April 2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 17. Juli 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2006 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für Mai 2006 zusätzlich 120,75 Euro zu gewähren.
3. Der Beklagte hat der Klägerin deren Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Kürzung von Leistungen nach dem SGB II während eines stationären Krankenhausaufenthalts der Klägerin.
Die alleinstehende Klägerin bezieht ab Januar 2005 Leistungen nach dem SGB II.
Vom 13. März bis zum 31. Mai 2006 befand sie sich zur stationären Behandlung in der Klinik für psychogene Störungen, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Laut Auskunft des Krankenhauses vom 8. Mai 2006 habe zur kombinierten stationären Behandlung der Klägerin gehört, dass sie bis zu 26 Stunden in der Woche für Ausgänge und bis zu viermal über Nacht beurlaubt wurde, um sich auf die Zeit nach der Entlassung vorzubereiten. Während dieser Zeit habe sie sich selbst verpflegen müssen. Wegen des Krankenhausaufenthaltes forderte die Krankenversicherung der Klägerin von ihr nachträglich eine Zuzahlung von 280 Euro.
Mit Bescheid vom 26. April 2006 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 17. Juli 2006 bewilligte der Beklagte für Mai 2006 wegen des stationären Aufenthaltes der Klägerin neben den Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 190,13 Euro statt eines Regelsatzes von 345 Euro nur Leistungen in Höhe von 215,25 Euro, kürzte den Regelsatz also um 35 % oder 120,75 Euro.
Den am 18. Mai 2006 hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 2006 als unbegründet zurück. Die Regelleistung sei gemäß § 9 Abs. 1 SGB II zu kürzen gewesen, denn während der Dauer des Krankenhausaufenthaltes sei der Lebensunterhalt der Klägerin durch Verpflegung teilweise gedeckt, die Klägerin insoweit also nicht hilfebedürftig gewesen.
Am 26. Oktober 2006 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben.
Die Klägerin trägt vor, dass ihr die als beitragsfinanzierte Leistung der Krankenversicherung erbrachte Verpflegung nicht angerechnet werden dürfe. Im übrigen habe sie während des Krankenhausaufenthaltes nichts erspart, sondern im Gegenteil sei von ihr in diesem Zusammenhang von der Krankenkasse eine Zuzahlung von 280 Euro gefordert worden.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 26. April 2004 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 17. Juli 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2006 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bezieht sich auf seine Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Ergänzend erläutert er, dass der Wert der bereitgestellten Verpflegung abweichend von § 2 Abs. 4 Satz 1 ALG II-VO und der Sachbezugsverordnung nicht mit 202,70 Euro festgesetzt worden sei, sondern nur mit 120, 75 Euro. Dabei sei man einer Vereinbarung mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und dem Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge (DV) gefolgt und einen Betrag von 35 % der Regelleistung berücksichtigt. Dies entspreche in etwa dem in der Regelleistung enthaltenen Ernährungsanteil.
Die betreffende Gerichtsakte sowie die Leistungsakte des Beklagten lagen dem Gericht bei seiner Entscheidung vor. Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt dieser Aktenstücke Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben. Sie ist auch begründet.
Die Klägerin hat auch für die Zeit ihres stationären Aufenthaltes einen Anspruch auf die Bewilligung des vollen Regelsatzes von 345 Euro. Die alleinstehende Klägerin erfüllte in diesem Zeitraum die Voraussetzungen von § 7 Abs. 1 SGB II, insbesondere war sie hilfebedürftig. Sie bezog auch kein leistungsminderndes Einkommen. Damit hat sie gemäß § 20 Abs. 2 SGB II einen Anspruch auf die volle monatliche Regelleistung von 345 Euro.
Eine Minderung des Leistungsanspruchs aufgrund der während des Krankenhausaufenthaltes gewährten Verpflegung ist unter keinem Gesichtspunkt rechtmäßig (so auch beispielsweise SG Freiburg, Urteil vom 24. Oktober 2006 - S 9 AS 1557/06 mit weiteren Nachweisen).
Zunächst ergibt sich aus der Systematik des SGB II, dass es ...