Entscheidungsstichwort (Thema)

gesetzliche Unfallversicherung. Beitragshaftung. selbstschuldnerische Bürgenhaftung des Unternehmers eines Baugewerbes für den Nachunternehmer. keine Haftungsbeschränkung: Exkulpationsmöglichkeit gem § 28e Abs 3b SGB 4. Wertgrenze gem § 28e Abs 3d SGB 4. Auslegung

 

Orientierungssatz

Bezüglich der Beitragshaftung eines Unternehmers des Baugewerbes für die Verbindlichkeiten seines Nachunternehmers als selbstschuldnerischer Bürge gem § 150 Abs 3 Alt 2 SGB 7 iVm § 28e Abs 3a S 1 SGB 4 sind die in den Absätzen 3b (Exkulpationsmöglichkeit) und 3d (Wertgrenze) geregelten Haftungsbeschränkungen nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 150 Abs 3 Alt 2 SGB 7 nicht anwendbar.

 

Tenor

1.

Die Klage wird abgewiesen.

2.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3.

Der Streitwert wird auf 8.777,14 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist die Inanspruchnahme der im Baugewerbe tätigen Klägerin für Beitragszahlungen zur gesetzlichen Unfallversicherung einer zwischenzeitlich insolventen Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die mit der Ausführungen von Bauleistungen für die Klägerin betraut war.

Im November 2003 beauftragte die Klägerin die M GbR mit der Ausführung zweier Nachunternehmeraufträge, und zwar Bauleistungen für zwei Doppelhaushälften. Die mit der M GbR vereinbarte Vergütung für die eine Doppelhaushälfte betrug 120.000 Euro, für die andere Doppelhaushälfte betrug sie 154.700 Euro.

Vor Auftragserteilung ließ sich die Klägerin eine Freistellungsbescheinigung zum Steuerabzug bei Bauleistungen des Finanzamtes H/M vorlegen.

Noch während der Ausführungen der übernommenen Bauleistungen ging die M GbR in Insolvenz.

Mit Haftungsbescheid vom 9. November 2005 nahm die Beklagte die Klägerin für rückständige, nicht abgeführte Beiträge der M GbR über 8.777,14 Euro in Anspruch.

Gegen den Haftungsbescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 6. Dezember 2005 Widerspruch ein und begründete diesen damit, dass die Voraussetzungen ihrer Inanspruchnahme als Haftungsschuldnerin nicht vorliegen, da der Gesamtwert aller in Auftrag gegebenen Bauleistungen 500.000 Euro nicht übersteige und ihr zudem von der M GbR eine Freistellungsbescheinigung gemäß § 48 b Absatz 1 Satz 1 des Einkommenssteuergesetzes vorliege.

Durch Widerspruchsbescheid vom 28. September 2006 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung beruft sie sich auf eine ihrer Auffassung nach gegebene selbstschuldnerische Bürgenhaftung der Klägerin gemäß § 28 e Absatz 3 a SGB IV, die nicht durch weitere Vorschriften ausgeschlossen sei, da § 150 Absatz 3 SGB VII ausdrücklich nur auf die vorgenannte Bestimmung verweise.

Hiergegen erhob die Klägerin am 19. Oktober 2006 Klage vor dem Sozialgericht Berlin. Zur Begründung führt sie aus, dass es sich bei dem Umstand des fehlenden Verweises in § 150 Absatz 3 SGB VII auf § 28 e Absatz 3 d SGB IV um ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers handele, da nicht erkennbar sei, weshalb ein Haftungsausschluss für sonstige Sozialversicherungsbeiträge gewollt sei, nicht aber für die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung. Jedenfalls entfalle die Bürgenhaftung des Klägers aber nach § 28 e Absatz 3 b SGB IV, da die Klägerin aufgrund der ihr vorliegenden Freistellungsbescheinigung des Finanzamtes davon ausgehen konnte, dass die M GbR ihren steuerlichen und sozialrechtlichen Verpflichtungen nachkomme. Nach allgemeiner Verkehrsanschauung bilde diese Bescheinigung den Beweis dafür, dass der Nachunternehmer insoweit "geprüft" sei und entsprechende Beiträge abführe. Letztlich bestreitet die Klägerin auch die Höhe der geltend gemachten Haftungssumme, da die M GbR im streitgegenständlichen Zeitraum nicht nur für die Klägerin, sondern auch für andere Unternehmen tätig gewesen sei. Es liege daher eine doppelte Inanspruchnahme von verschiedenen Auftraggebern vor. Sollte die Beklagte andere Auftraggeber gar nicht erst in Anspruch genommen haben, läge darin jedenfalls eine Ungleichbehandlung der Klägerin.

Die Klägerin beantragt,

den Haftungsbescheid der Beklagten vom 9. November 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2006 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf die in ihrem Widerspruchsbescheid vorgebrachten Erwägungen.

Die Gerichts- und Verwaltungsakten haben vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten sowie des übrigen Inhalts wird auf sie Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte gemäß § 124 Absatz 2 des Sozialgerichtsgesetzes ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden. Die Beteiligten haben sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt.

Die form- und fristgemäß erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 9. November 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin als ihren Adressaten nicht in ihren Rechten.

Die Beklagte kann Beiträge der M-GbR gemäß § 150 Absatz...

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