Entscheidungsstichwort (Thema)
Übernahme der Kosten einer Einzugsrenovierung durch den Grundsicherungsträger bei Wohnungswechsel
Orientierungssatz
1. Kosten einer Einzugsrenovierung sind dann angemessene Kosten der Unterkunft, wenn die Einzugsrenovierung ortsüblich und zur Herstellung der Bewohnbarkeit der Unterkunft erforderlich und deren Kosten angemessen sind.
2. Dazu ist zunächst festzustellen, ob nur so die Bewohnbarkeit der Unterkunft herzustellen ist, alsdann, ob die Einzugsrenovierung ortsüblich ist, weil keine renovierten Wohnungen zur Verfügung stehen und schließlich, ob die Kosten zur Herstellung des Wohnstandards im unteren Wohnsegment erforderlich sind.
3. Bei privaten Vermietungen ist es üblich, dass auf eine Auszugsrenovierung verzichtet wird und jeder neue Mieter die Wohnung dafür nach seinen Vorstellungen renoviert.
Tenor
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig 100,00 Euro zur Renovierung ihrer Wohnung in der A-Straße in A-Stadt zu zahlen.
Der Antragsgegnerin steht es frei, sich zur Überprüfung der zweckentsprechenden Verwendung des Betrages nachträglich entsprechende Belege vorlegen zu lassen. Auch insoweit steht der Betrag von 100,00 Euro unter dem Vorbehalt der Rückforderung.
Die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller hat die Antragsgegnerin zu erstatten.
Gründe
Der nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG- statthafte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet.
Voraussetzung für den Erlass der begehrten Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG ist neben einer besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund) ein Anspruch der Antragsteller auf die begehrte Regelung (Anordnungsanspruch). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung -ZPO-).
Der Anspruch der Antragsteller auf Übernahme der Kosten einer Einzugsrenovierung ergibt sich aus § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Die Antragsgegnerin ist bereits mit Zustellung des Antrages durch das Gericht auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hingewiesen worden, nachdem es noch im ablehnenden Bescheid vom 21.07.2009 heißt, “Renovierungskosten [seien] keine Leistungen nach dem SGB II„. Das Bundessozialgericht hat bereits in seinem Urteil vom 18.12.2008 (B 4 AS 49/07 R) entschieden, dass die Kosten einer Einzugsrenovierung dann angemessene Kosten der Unterkunft (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II) sind, wenn die Einzugsrenovierung ortsüblich und erforderlich zur Herstellung des Wohnstandards im unteren Wohnsegment ist. Im Einzelnen hat das Gericht ausgeführt:
“Kosten der Einzugsrenovierung können allerdings Bestandteil der Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs 1 SGB II sein.
Nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II sind die Kosten für Unterkunft umfassend, dh in tatsächlicher Höhe zu erbringen. Auch Nebenkosten zur Kaltmiete werden hiervon umfasst (vgl BSG, Urteil vom 19.3.2008 - B 11b AS 31/06 R). Angemessene Kosten für die Einzugsrenovierung sind daher Teil der Kosten der Unterkunft, wenn die Einzugsrenovierung mietvertraglich vereinbart worden ist. Insoweit gilt im SGB II nichts Anderes als bereits im Referenzsystem der Sozialhilfe. Im System des BSHG waren die mietvertraglich vereinbarten Kosten der Auszugsrenovierung und die Kosten, die mit der Herrichtung oder Bewohnbarmachung der Wohnung einhergingen, als sozialhilferechtlicher Bedarf der Unterkunft vom Träger zu übernehmen (BVerwG Urteil vom 30.4.1992 - 5 C 26/88, BVerwGE 90, 160; OVG Münster, Urteil vom 21.9.1990 - 24 A 1075/87) . Ob im vorliegenden Fall eine Einzugsrenovierung mietvertraglich vereinbart worden ist, hat das SG nicht festgestellt. Aber auch wenn dies nicht der Fall war, können im Rahmen des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II grundsätzlich auch weitere einmalige Beihilfen erbracht werden (vgl zu Heizkosten BSG 16.5.2007 - B 7b AS 40/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 4). Bei den Kosten für die Einzugsrenovierung ist das der Fall, soweit sie zur Herstellung der "Bewohnbarkeit" der Unterkunft erforderlich und auch ansonsten angemessen sind.
Weder Wortlaut noch System des SGB II stehen der Gewährung einer einmaligen Beihilfe für Unterkunftskosten entgegen. Im Gegensatz zur Regelleistung werden Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe erbracht, also nicht in einer Pauschale. Die Unterkunftskosten sind mithin auch nicht dadurch beschränkt, dass der Bedarf von vornherein festgelegt wäre und Besonderheiten des Einzelfalls keine Berücksichtigung fänden. Die Bedarfsdeckung iS des § 3 Abs 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB II erfolgt bei den Unterkunftskosten mithin in tatsächlicher Höhe. Begrenzt wird dieser Bedarf, soll er durch Leistungen des SGB II gedeckt werden, ausschließlich durch das Tatbestandsmerkmal der "Angemessenheit". Folglich ist nicht zwingend, dass Leistungen für Unterkunft nur dann zu erbringen sind, wenn sie durch mietvertraglich vereinbarte Aufwendungen begründet werden. Es sind vielmehr auch einmalige Beihilfen zu gewähren, soweit diese ...