Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. Erinnerung in Kostensachen nach § 197 SGG. Rechtsanwaltsgebühr
Leitsatz (amtlich)
1. Für das Erinnerungsverfahren nach § 197 Abs 2 SGG entstehen keine zusätzlichen Kosten.
2. Ein Antrag auf Prozesskostenhilfe für dieses Erinnerungsverfahren ist mangels Bescheidungsinteresses unzulässig.
3. Die Erinnerung nach § 197 Abs. 2 SGG ist eine mit dem Verfahren zusammenhängende Tätigkeit iS von § 19 S 1 und 2 Nr 14 RVG.
4. § 18 Abs 1 Nr 3 RVG ist nicht (analog) auf die Erinnerung nach § 197 Abs 2 SGG anzuwenden.
Orientierungssatz
Der Wille des Gesetzgebers, auch die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle in den Anwendungsbereich des § 18 Abs 1 Nr 3 RVG einzubeziehen, kann nicht aus RVG-VV Nr 3501 gefolgert werden.
Tenor
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der Erinnerungsführer begehrt für seine am 08.12.2011 eingelegte Erinnerung PKH (Prozesskostenhilfe).
Am 14.07.2011 beantragte der Erinnerungsführer über seinen Prozessbevollmächtigten, die zu erstattenden Kosten im Verfahren S 14 AS 2250/11 vom Urkundsbeamten des Sozialgerichts Chemnitz festzusetzen. Mit seiner Erinnerung greift er den am 28.11.2011 ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Chemnitz an.
II.
Der Antrag auf PKH ist abzulehnen. Der Antrag ist bereits unzulässig, da der Erinnerungsführer kein Bescheidungsinteresse hat. Sinn und Zweck der PKH ist es, einkommens- und vermögensunabhängigen Rechtsschutz zu ermöglichen. PKH ist dementsprechend nur für Verfahren zu gewähren, in denen für den Rechtsschutzsuchenden überhaupt Kosten entstehen können. Dies ist für das hier gegenständliche Erinnerungsverfahren nach § 197 Abs. 2 SGG (Sozialgerichtsgesetz) nicht der Fall.
Für den Erinnerungsführer als Empfänger von Leistungen nach dem SGB II (Zweites Buch Sozialgesetzbuch) ist das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gem. § 183 Satz 1 SGG gerichtskostenfrei. Die Kosten des Gegners sind gem. § 193 Abs. 4 i. V. m. §§ 184 Abs. 1, 183 SGG nicht erstattungsfähig. Auch für einen von ihm beauftragten Prozessbevollmächtigten entstehen für das Erinnerungsverfahren keine weiteren Kosten, die er zu tragen hätte bzw. die durch den Erinnerungsgegner zu erstatten wären (vgl. Niesel/Herold-Tews, Der Sozialgerichtsprozess, 5. Aufl. Rn. 637; Jungeblut in BeckOK SGG, Edition 25, § 197, Rn. 3).
Eine ausdrückliche Regelung, wie in § 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz), ist für das Erinnerungsverfahren nach § 197 Abs. 2 SGG weder im RVG noch im SGG enthalten. Die Kostenfreiheit ergibt sich jedoch aus dem Zusammenspiel der §§ 15 Abs. 1 und 19 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Nr. 14 RVG. Die Erinnerung nach § 197 Abs. 2 SGG ist lediglich eine mit dem Verfahren zusammenhängende Tätigkeit im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 1 RVG.
1.
Gem. § 15 Abs. 1 RVG entgelten die Gebühren, soweit das RVG nichts anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit. Damit wird klargestellt, dass es sich bei den im RVG vorgesehenen Gebühren um Pauschgebühren handelt, die jeweils eine Summe von Tätigkeiten entgelten. § 19 Abs. 1 Satz 1 RVG bestimmt, dass zu einem Rechtszug oder Verfahren auch alle Vorbereitungs-, Neben- und Abwicklungstätigkeiten und solche Verfahren, die mit dem Rechtszug oder Verfahren zusammenhängen, gehören, wenn die Tätigkeit nicht nach § 18 RVG eine besondere Angelegenheit ist. Durch diese Regelung wird nochmals unterstrichen, dass für diese mit dem Verfahren zusammenhängenden Tätigkeiten keine gesonderten Gebühren entstehen, sondern dass diese Tätigkeiten nach dem Prinzip der Pauschgebühr mit den allgemeinen Gebühren für das jeweilige Verfahren abgegolten sind. In § 19 Abs. 1 Satz 2 RVG werden Regelbeispiele für solche mit dem Verfahren zusammenhängenden Tätigkeiten des Rechtsanwalts benannt. Nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 14 RVG gehört hierzu auch die Kostenfestsetzung und die Einforderung der Vergütung. Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle wird vom Wortlaut dieses Regelbeispiels erfasst. Es handelt sich um einen Akt, die Vergütung einzufordern.
2.
Die Erinnerung nach § 197 Abs. 2 SGG ist auch keine besondere Angelegenheit i. S. v. § 18 RVG, sodass sie ihren Charakter als mit dem Verfahren zusammenhängende Tätigkeit verlieren würde. Sie ist in der abschließenden Aufzählung des § 18 Abs. 1 RVG nicht ausdrücklich genannt. Lediglich das Verfahren über die Erinnerung gegen eine Entscheidung des Rechtspflegers wird in § 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG gesondert aufgeführt. Die Erinnerung nach § 197 Abs. 2 SGG richtet sich jedoch gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, der nicht Rechtspfleger ist, vgl. § 4 SGG, § 2 RPflG (Rechtspflegergesetz). Der Wortlaut ist eindeutig.
3.
§ 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG ist auch nicht, wie teilweise vertreten wird, analog auf Erinnerungen gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle anzuw...