Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht. GdB-Neufeststellung. Versorgungsmedizinische Grundsätze. frühkindliche Taubheit. Spracherwerb mit moderner Hörgerättechnik. Herabsetzung des GdB auf 90. Wegfall des Anspruchs auf sächsischen Nachteilsausgleich für Gehörlose
Leitsatz (amtlich)
Auch bei vor dem 7. Lebensjahr erworbener Taubheit richtet sich der GdB zumindest nach Vollendung des 18. Lebensjahres nach dem Ausmaß der Sprachstörung.
Ein gleich aus welchem Grunde erfolgter Spracherwerb wirkt sich den GdB für das Gehör mindernd aus.
Bei frühkindlicher Taubheit entfällt der Anspruch auf Leistungen nach dem sächsischen Landesblindengeldgesetz (juris: BliGG SN) mit Herabsetzung des GdB's für die Funktion Gehör auf unter 100.
Tenor
1) Klage wird abgewiesen.
2) Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob bei dem 1998 geborenen Kläger nach wie vor für Taubheit ein Grad der Behinderung (GdB) von 100, sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen GL für Gehörlosigkeit festzustellen sind und ob der Kläger Anspruch auf Leistungen für Gehörlose nach dem Gesetz über die Gewährung eines Landesblindengeldes und anderer Nachteilsausgleiche (Landesblindengeldgesetz - LBlindG) hat.
Mit Bescheid vom 07.05.2015 hob der Beklagte den Bescheid vom 23.11.2004, mit dem beim Kläger ein GdB von 100 wegen an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit beiderseits mit Sprachstörung, sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "GL", "G" und "B" festgestellt wurden, auf und stellte fest, dass der GdB nunmehr 80 betrage. Das Sprech- und Sprachvermögen des Klägers habe sich zwischenzeitlich verbessert, so dass de GdB neu festzusetzen sei. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen lägen nicht mehr vor.
Auf den am 21.05.2014 eingegangenen Widerspruch erging am 02.02. 2015 ein Teilabhilfebescheid, mit dem ein GdB von 90 festgestellt wurde. Der weitergehende Widerspruch wurde durch Bescheid vom 05.03.2015 zurückgewiesen.
Mit weiterem Bescheid vom 07.05.2014 nach dem Landesblindengeldgesetz wurde festgestellt, dass der Kläger keinen Anspruch mehr auf Leistungen nach dem Landesblindengeld habe, die durch Bescheid vom 06.11.2007 bewilligt worden waren. Auf den am 21.05.2014 eingegangenen Widerspruch erging am 06.03.2014 ein zurückweisender Widerspruchsbescheid.
Mit den am 02.04.2015 eingegangenen Klagen verfolgt der Kläger das Ziel, die genannten Bescheide im Hinblick auf die Absenkung des GdB‚s, die Feststellung, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "GL" nicht mehr vorlägen und dass der Kläger keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Landesblindengeldgesetzt mehr habe, aufgehoben zu erhalten weiter.
Das Gericht hat das bei der Kammer unter S 16 BL 8/15 anhängigen Verfahren nach dem Landesblindengeldgesetz durch Beschluss vom 24.06.2015 zu diesem Verfahren nach dem Schwerbehindertenrecht verbunden.
Es hat Befunde eingeholt und sodann ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben, welches, einschließlich der ergänzenden logopädischen Begutachtung, von dem gerichtlichen Sachverständigen, Dr. med. C..., aufgrund Untersuchung vom 26.01.2016 am 19.02.2016 erstellt wurde.
Der Gutachter stellte fest, dass beim Kläger eine Taubheit mit Hörresten vorläge. Aufgrund der Störung seines Spracherwerbs und der geringgradigen Störung der lautsprachlichen Kommunikation sei die Feststellung eines GdB‚s von 100 für den Funktionsbereich Gehör nicht gerechtfertigt. Der Kläger spreche mit verständlicher Sprache, es seinen nur geringe Artikulationsstörungen feststellbar. Dieser Spracherwerb sei bereits im Zeitpunkt des Erlasses der behördlichen Entscheidungen erfolgt. Der Gutachter erachtete daher die Feststellung eines GdB‚s von 90 durch die Behörde für zutreffend.
Mit Schriftsatz vom 15.06.2016 erkannte der Beklagte an, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "GL" nach wie vor festzustellen seien. Das Teilanerkenntnis wurde vom Kläger, der die Auffassung vertrat, dass auch die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Feststellung eines GdB‚s von 100, sowie für die Gewährung von Leistungen nach dem Landesblindengeldgesetz vorlägen, angenommen.
Der Kläger stellt die Anträge,
1. Den Bescheid vom 07.05.2014 nach den Landesblindengeldgesetztes in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2015 aufzuheben.
2. Den Bescheid vom 07.05.2014, nach dem Schwerbehindertenrecht in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 02.02.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.03.2015 aufzuheben, soweit der Beklagte nicht mit Schriftsatz vom 15.06.2016 das Weiterbestehen der Voraussetzungen für das Merkzeichen GL anerkannt hat.
Der Beklagte beantragt,
Klageabweisung,
da die behördlichen Entscheidungen auch im gegenwärtigen Zeitpunkt unter Berücksichtigung des Anerkenntnisses die beim Kläger vorhandenen Beeinträchtigungen zutreffend und umfassend festgestellt und gewürdigt hätten. Der Kläger habe insbesondere auch keinen Anspruch auf ...