Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Ablehnung der Überprüfung bzw Rücknahme eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides für die Vergangenheit im Zugunstenverfahren wegen Versäumung der auf ein Jahr verkürzten Ausschlussfrist. Anwendung des § 44 Abs 4 SGB 10 bei vorangegangener Aufrechnung der Erstattungsforderung
Orientierungssatz
Die Ablehnung der Überprüfung eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides durch den Grundsicherungsträger im Zugunstenverfahren ist rechtmäßig, wenn die Erstattungsforderung nicht durch den Hilfebedürftigen beglichen, sondern vom Grundsicherungsträger mit Leistungsansprüchen aufgerechnet wurde und die in diesem Fall auch auf Aufhebungs- und Erstattungsbescheide anzuwendende Verfallfrist gem § 40 Abs 1 SGB 2 iVm § 44 Abs 4 SGB 10 einer rückwirkenden Gewährung von Sozialleistungen entgegen steht.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Eine Kostenerstattung findet nicht statt.
3. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger begehren die Aufhebung der Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 02.10.2008 für den Leistungszeitraum vom 01.01. bis 31.08.2008 in Höhe von 54,24 € pro Person in der Fassung der Überprüfungsbescheide des Beklagten vom 26.02.2015 für die Klägerinnen zu 1) und 2) und vom 27.02.2015 für die Kläger zu 3) bis 5) in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 02.04.2015, W 807/15. W 808/15, W 815/15, W 816/15 und W 817/15.
Die ... 1962 geborene Klägerin zu 1) war erwerbsfähig, arbeitssuchend und hilfebedürftig. Sie bildete gemeinsam mit ihrem ... 1953 geborenen Ehemann W... T... und deren Kindern K..., geboren ... 1988 (Klägerin zu 2), V... geboren ... 1991 (Klägerin zu 3), B... geboren ... 1993 (Kläger zu 4) und A... ... geboren ... 1995 (Kläger zu 5) eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Absatz 3 des zweiten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Kläger und W... T... bezogen und beziehen weiterhin Grundsicherungsleistungen.
Mit dem Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 18.04.2008 wurde den Klägern und W... ... T... für den Leistungszeitraum vom 01.05.2008 bis 31.10.2008 monatlich 1.383,33 € Grundsicherungsleistungen bewilligt. Die Klägerin zu 2) bezog 154,00 € Kindergeld und zunächst noch 192,00 € Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BaföG) bis zum 31.07.2008. Die Kläger zu 3) und 4) bezogen Kindergeld in Höhe von 154,00 € und der Kläger zu 5) 179,00 € Kindergeld. Die Klägerin zu 1) und ihr Ehemann waren einkommenslos. Die Kläger und W... T... bewohnten eine nur 76,85 qm große Wohnung in der W... ...-P...-Straße ... in V..., für die sie eine Bruttowarmmiete von 527,30 € zu zahlen hatten.
Zum 01.08.2008 zog die Bedarfsgemeinschaft mit Zustimmung des Beklagte in die 1 18,80 qm große Wohnung in der O...-G-Straße ... in L... um, für die sie eine Bruttowarmmiete von 649,00 € zu zahlen hatte. Mit dem Änderungsbescheid des Beklagten vom 01.07.2008 wurde der Bedarfsgemeinschaft deswegen für den Leistungszeitraum vom 01.08. bis 31.10.2008 1.515,00 € Grundsicherungsleistungen bewilligt.
Mit dem Änderungsbescheid vom 18.07.2008 bewilligte der Beklagte wegen des Wegfalls der BaföG-Leistungen für die Klägerin zu 2) für den gleichen Leistungszeitraum zuletzt 1.707,00 € Grundsicherungsleistungen monatlich.
Am 25.06.2008 erhielt die Bedarfsgemeinschaft die Betriebskostenabrechnung für die vorherige Wohnung für das Jahr 2007, die eine Gutschrift aus Betriebskosten und Heizkosten in Höhe von 325,40 € auswies. Diese Gutschrift floss der Bedarfsgemeinschaft im Monat August 2008 zu (Bl. H 76 der Verwaltungsakte).
Die Klägerin zu 1) und zu 2) jeweils einerseits sowie der Vater der Kläger zu 3) bis 5) für diesen und die damals minderjährigen Kläger zu 3) bis 5) andererseits wurden von dem Beklagten mit Schreiben vom 25.08.2008 wegen dieses Betriebskostenguthabens zum Erlass eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides angehört. Die Klägerinnen zu 1) und zu 2) sowie Herr W... T... erklärten sich im Rahmen der Anhörung mit einer Aufrechnung von monatlich 20,00 € wegen der eingetretenen Überzahlung einverstanden.
Mit den Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom 02.10.2008 hob der Beklagte Leistungen für die Kosten der Unterkunft für den Monat August 2008 wie folgt auf:
- gegenüber der Klägerin zu 1) und 2) jeweils 54,24 €,
- gegenüber dem am hiesigen Verfahren nicht beteiligten W... T... (für diesen war [offensichtlich versehentlich?] kein Überprüfungsantrag gestellt) in Höhe von 54,20 € und in diesem Bescheid für die Kläger zu 3) bis 5) jeweils weitere 54,24 € 54,20 € und in diesem Bescheid für die Kläger zu 3) bis 5) jeweils weitere 54,24 €
und verlangte die Erstattung dieser Beträge.
Die Bescheide wurden bestandskräftig, weil gegen diese kein Widerspruch eingelegt worden war. Die Kläger leisteten jedoch keine Erstattung an den Beklagten, sondern der Beklagte rechnete ab dem Monat November 2008 jeweils mit monatlich 60,00 € Grundsicherungsleistungen - wie von den Klägerinnen zu 1) und 2) sowie von Herrn W... T... erbeten - auf, so dass der gesamte...