Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.07.2023; Aktenzeichen B 12 R 15/21 R)

 

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 17. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. November 2016 wird aufgehoben und es wird festgestellt, dass der Kläger bei der Beigeladenen zu 1. ab 27. Juli 2015 nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt war.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Sozialversicherungspflichtigkeit der Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen zu 1.

Der 1979 geborene Kläger ist Krankenpfleger. Er ist alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Ein-Personen-GmbH „D. GmbH“. Mit der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1., der St. Rochus Krankenhaus gGmbH, Dieburg schloss die „D. GmbH“ vertreten durch den Kläger als Geschäftsführer für tageweise bestimmte „Einsatzzeiträume“ sog. Dienstleistungsvereinbarungen. Die Dienstleistung sollte danach die „eigenständige und eigenverantwortliche Durchführung, Dokumentation und Überprüfung der stationären Krankenpflege der zu pflegenden Patienten ggf. in Kooperation mit den angestellten Pflegedienstmitarbeiterinnen und -mitarbeitern sowie der behandelnden Ärzte der Patienten / der Patientinnen“ umfassen. Vereinbart war darin ferner, der Kläger nicht verpflichtet war, „seine Dienste in Person zu leisten“. Ihm war vielmehr erlaubt, Hilfspersonen heranzuziehen oder Vertreter einzusetzen, sofern diese die gleiche oder zumindest eine vergleichbare Qualifikation aufwiesen. In § 3 der Vereinbarungen war der Hinweis aufgenommen, dass die Parteien sich darüber einig seien, dass durch diese Vereinbarung zwischen ihnen kein Arbeitsverhältnis begründet werden solle. Der Kläger unterliege insbesondere bei der Durchführung der übertragenen Tätigkeiten oder den Arbeitszeiten keinen Weisungen. Er habe ferner das Recht einzelne Aufträge ohne Angabe von Gründen abzulehnen. Hilfsmittel, Werkzeuge, Materialien und Dienstkleidung hatte gemäß § 6 der Vereinbarungen der Kläger zu stellen. Urlaubsansprüche oder eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall war nicht vereinbart. Zum Zwecke der Abrechnung erstellte der Kläger sog. „Dienstleistungsnachweise“.

Mit Schreiben vom 11. Dezember 2015 beantragte die Beigeladene zu 1. Bei der Beklagten Statusfeststellung nach § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). In den von der Beklagten angeforderten Fragebogen gab die Beigeladene zu 1. an, der Kläger erbringen Leistungen der Intensivpflege seit dem 27. Juli 2015. Die Arbeiten üblicherweise in einem Drei-Schicht-System. Die Einsatzzeiten des Klägers entsprächen diesem Modell nicht zwingend. Er decke nur die Zeiten ab, für die eigenes Personal des Krankenhauses nicht verfügbar sei. Die Tätigkeit finde in den Räumen der Beigeladenen zu 1. statt. Eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation finde nicht statt. An Dienstplan Besprechung, der Urlaubsplanung, Betriebsausflügen etc. nehme der Kläger nicht teil. Er unterliege ferner auch nicht der Arbeitszeiterfassung.

Nach Anhörung am 16. April 2016 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 17. Mai 2016 fest, dass die Tätigkeit des Klägers als Krankenpfleger bei der Beigeladenen zu 1. seit 27. Juli 2015 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden sei. Nach Gesamtabwägung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen hätten die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwogen. Zwar sei ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu einem Auftraggeber grundsätzlich ausgeschlossen, wenn der Auftragnehmer eine rechtsfähige Personengesellschaft sei. Dies gelte jedoch nicht, wenn im Einzelfall die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung mit entsprechender Weisungsgebundenheit gegenüber den Merkmalen einer selbstständigen Tätigkeit überwiegen würden. Es könne keinen Unterschied machen wenn es sich bei dem Auftragnehmer nicht um eine Personengesellschaft, sondern um eine Ein Personen Kapitalgesellschaft handeln würde.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 12. Juni 2016 Widerspruch ein. Zur Begründung bestritt er bereits, dass die Merkmale einer selbstständigen Tätigkeit im vorliegenden Fall überwiegen würden. Insbesondere verwies er aber darauf, dass zwischen der Beigeladenen zu 1. und dem Kläger gar kein Vertragsverhältnis gäbe, sondern ein Vertragsverhältnis nur zwischen der Beigeladenen zu 1. und der D. GmbH bestünde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2016 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses sei nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger gleichzeitig als Gesellschafter an einer GmbH beteiligt sei, die als Arbeitgeber auftrete. Der Kläger trete als persönlich unbeschränkt haftender Gesellschafter und Mitunternehmer für Dritte nicht erkennbar in Erscheinung. Die gesellschaftsrechtlichen Beziehungen bestünden daher nur im Innenverhältnis. Die Gründung unter „Zwischenschaltung“ einer GmbH sei deshalb rechtsmissbräuchlich und geschehe ausschließlich zur Umgehung von abhäng...

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